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Handball: Skandal um Fuhr weitet sich aus - Spielerinnen kritisieren Vereine und den DHB

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Handball: Skandal um Fuhr weitet sich aus - Spielerinnen kritisieren Vereine und den DHB

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Neue Vorwürfe im Handball-Skandal

Zahlreiche Ex-Spielerinnen erheben schwere Anschuldigungen gegen den mittlerweile entlassenen BVB-Trainer André Fuhr. Zudem stehen auch weitere Personen im schlechten Licht.
Die deutsche Handballnationalmannschaft verliert im ersten Gruppenspiel des EHF-Cups gegen Schweden mit 33:37.
SPORT1
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von SPORT1

Die Anschuldigungen gegenüber André Fuhr ziehen immer weitere Kreise nach sich. (NEWS: Alles zum Handball)

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In einem Bericht des Spiegel haben zahlreiche Spielerinnen neue Vorwürfe gegen den mittlerweile freigestellten Ex-Trainer von Borussia Dortmund erhoben.

„André Fuhr hat uns Stück für Stück gebrochen“, erklärt beispielsweise Anja Ernsberger, die bei der HSG Blomberg-Lippe unter Fuhr gespielt hat.

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So habe Fuhr die Spielerinnen via Textnachrichten, mit Worten und absurden Vorschriften enorm verängstigt. Auch während des Trainings sei es immer wieder zu Vorfällen gekommen, die Schäden bei den Betroffenen hinterlassen haben.

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Die Anschuldigungen sind so schwer, dass mittlerweile auch der deutsche Handballbund DHB Ermittlungen gegen Fuhr aufgenommen hat.

Ex-Spielerinnen teilen gegen Fuhr aus

„Spaß im Training gab es kaum, wer zu gute Laune hatte oder lachte, wurde schnell mal fertiggemacht. So nahm er (André Fuhr, Anm. d. Red.) jungen, talentierten Spielerinnen die Freude am Spiel. Man kann das schwer in Worte fassen. Man muss das erlebt haben“, schildert Kim Berendt.

Dabei habe Fuhr es bevorzugt auf die jungen Spielerinnen abgesehen, „weil die sich schlechter wehren konnten“, erläutert Berendt, die mittlerweile ihre Karriere beendet hat.

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André Fuhr (r.) muss in Dortmund gehen
André Fuhr (r.) muss in Dortmund gehen

Fuhr, der von 2008 bis 2018 bei der HSG Trainer war, soll zudem das Privatleben der Spielerinnen kontrolliert, sie terrorisiert und sogar sexuell belästigt haben.

„André Fuhr sagte mir oft, ich sei zu dick. Trotz zehn Übungseinheiten pro Woche aß ich irgendwann nur noch Knäckebrot, trank einen Eiweiß-Shake am Tag, hungerte mich von 72 auf 60 Kilogramm herunter, bis ich beim Training einmal entkräftet zusammenbrach. Als ich dünner geworden war, meinte er: „Jetzt siehst du wie eine Sportlerin aus.“ Bis heute habe ich Essprobleme, bin oft unzufrieden mit meinem Aussehen und fühle mich unwohl in meinem Körper“, sagt eine ehemalige Jugendspielerin aus Blomberg, die lieber anonym bleiben wollte.

Mittlerweile haben sich bei der Beratungsstelle „Anlauf gegen Gewalt“ mehr als 30 Personen gemeldet. „Darunter waren Betroffene und Umstehende, die entsprechende Vorfälle beobachtet haben“, teilte Athleten Deutschland auf dpa-Anfrage mit.

Harte Spielerinnen-Kritik an der HSG Blomberg-Lippe

In dem Spiegel-Bericht werden aber auch neue Dimensionen sichtbar. So sprechen die Autoren von einem „System, das auf Schweigen und Wegschauen fußte“. Zu viele Funktionäre und Vereine haben weggeschaut, obwohl in der Szene die Praktiken von Fuhr bekannt gewesen seien.

So beschreibt eine Ex-HSG-Spielerin: „Oftmals saß ich in der Geschäftsstelle, mir gegenüber Geschäftsführer Torben Kietsch und Trainer André Fuhr. Ich sagte ihnen, dass ich kein Hund sei und auch nicht wünsche, so behandelt zu werden. „Er ist der Trainer, du machst genau, was er sagt“, antwortete mir Kietsch. Und: „Wir sind in Deutschland, so läuft das hier. Ihr Holländerinnen seid ja keine Hierarchie gewöhnt.“

Der Bundesligist teilte dem Spiegel mit, dass die Vorwürfe dem Ex-Trainer „nach unseren Erfahrungen in der Ganzheitlichkeit nicht gerecht“ werden. Einen Tag nach der Veröffentlichung vom Spiegel schrieb der Klub auf der Homepage: „Es macht uns betroffen, die geschilderten Vorgänge nicht gesehen und in der nötigen Ausprägung verfolgt und geahndet zu haben. Das zu lesende widerstrebt uns in jeglicher Form, wir distanzieren uns entschieden davon.“

Isabelle Jongenelen wehrt sich gegen die Darstellung ihres Ex-Vereins, HSG Blomberg-Lippe
Isabelle Jongenelen wehrt sich gegen die Darstellung ihres Ex-Vereins, HSG Blomberg-Lippe

Diese Darstellung sorgt bei zwei Ex-Spielerinnen für Verwunderung. So postete Isabelle Jongenelen, die in der Saison 2013/2014 in Blomberg spielte, in ihrer Instagram-Story ein Bild der Stellungnahme und versah sie mit einem Pinocchio-Emoji.

Auch Angela Malestein, die von 2012 bis 2014 das HSG-Trikot trug, äußerte sich in ihrer Instagram-Story: „Thorben Kietsch, ich weiß, es ist jetzt 9, 10 Jahre her, aber du weißt ganz genau, was passiert ist. Wollte zuerst nichts über den Fuhr sagen sagen, aber wenn ihr alle diese Mädels als Lügnerinnen hinstellt, dann erinnere ich euch ganz gerne auch nochmal an meine Geschichte mit dem Herrn Fuhr.“

Neue Vorwürfe gegen BVB-Abteilungsleiter

Zudem verdichten sich auch die Anzeichen, dass die Verantwortlichen bei Borussia Dortmund in den vergangenen zwei Jahren nicht genau genug hingeschaut haben.

Aus ihrer Zeit bei Borussia Dortmund berichtet eine Spielerin, dass sie sexuell anzügliche Nachrichten von Fuhr erhalten hat. „Als ich Abteilungsleiter Andreas Heiermann auf Herrn Fuhrs unprofessionelles Verhalten hinwies und erwähnte, dass der Trainer auch eine Freundin habe, antwortete Herr Heiermann sinngemäß: Seitensprünge seien heutzutage doch normal“, erinnerte sie sich im Spiegel.

Zudem soll Heiermann auch Inhalte eines privaten Gesprächs mit Mia Zschocke, deren außerordentlichen Kündigung der Auslöser für die Enthüllungen waren, an Fuhr weitergeleitet haben. Daraufhin drohte der 51-Jährige der Nationalspielerin sie nicht mehr einzusetzen und damit ihre EM-Teilnahme zu gefährden.

Selbst ein Teamtreffen im Oktober 2020 brachte keine Besserung. Dort prangerten die Spielerinnen die Methoden von Fuhr in Anwesenheit vom Trainer und Abteilungsleiter Heiermann an.

Der Verein selbst hat sich bisher nicht zu den Vorwürfen geäußert. Bisher verwies der Verein immer wieder auf das schwebende Vereine und wollte in dem Zusammenhang keine „Vorverurteilung“ fällen. Mittlerweile wurde der Vertrag jedoch aufgelöst.

Erster Verein fordert Konsequenzen

Konsequenzen fordert der Zweitligist HL Buchholz-Rosengarten. In einer Mitteilung schreibt der Bundesliga-Absteiger: „Üblicherweise ziehen derartige Anstöße Beschwichtigungen, Relativierungen und das Abschieben von Verantwortlichkeit nach sich, um damit –vermeintlich- gesichtswahrend und schadlos wieder in den Alltag überzugehen. Entsprechende Reflexe deuten sich in dem Artikel bereits an. Wir sehen dies als falschen Weg an und sind selbstverständlich zu einem Diskurs, zu Mitwirkung an einer Aufarbeitung und einer Gestaltung für die Zukunft bereit. Die Sachverhalte und Schilderungen müssen Gehör und Reaktionen finden.“

Auch Zschocke wünscht sich eine Aufarbeitung der Ereignisse. „Ich habe klar gesagt, dass man eine externe, neutrale Person braucht, um Kritik zu äußern“, sagte sie dem SID nach einem Gespräch mit DHB-Sportvorstand Axel Kromer.

Schließlich gibt es auch gegen den Handball-Verband Vorwürfe, da dieser Fuhr 2019 als Trainer für die U20-Nationalmannschaft holte. So soll die Frauen-Nationalmannschaft vor zwei Jahren rebelliert haben, als der Coach für den an Corona erkrankten Bundestrainer Henk Groener übernehmen sollte.

Zudem habe Kromer von Andreas Thiel, Vorsitzender der Frauen-Handball-Bundesliga, und einer Team-Managerin, der sich Zschocke im April 2022 anvertraute, Hinweise über die Machenschaften von Fuhr erhalten.

„Der DHB ist nach Bekanntwerden erster Hinweise zu möglichem Fehlverhalten umgehend auf Basis des zum jeweiligen Zeitpunkt bekannten Wissens entsprechend der Handlungsempfehlungen für Sportvereine aktiv geworden und hat intern auf allen Ebenen für die Prävention von Gewalt sensibilisiert“, erklärte der Verband in einer Pressemitteilung. Dem Vorstand seien zudem keinerlei Anschuldigungen im Rahmen seiner Tätigkeit für den DHB bekannt.

Zschocke, die in Norwegen ihre neue sportliche Heimat gefunden hat, richtet dennoch klare Worte an den Verband: „Für die Zukunft wäre es wünschenswert, wenn unser Verband mehr Schutz und mehr Unterstützung in solch sensiblen Angelegenheiten bieten würde.“