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Deutsche Frauen-Legende: "Der FC Bayern hat den Faden verloren"

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Deutsche Frauen-Legende: "Der FC Bayern hat den Faden verloren"

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Wie Alonso? „Damals war ich das“

Im exklusiven SPORT1-Interview spricht Inka Grings über den Frauenfußball, Julian Nagelsmann und ihren Plan, im professionellen Herrenbereich einzusteigen.
Bei der 1:4-Pleite gegen Frankfurt schoss Davie Selke das einzige Tor für die Hertha. Im STAHLWERK Doppelpass kritisiert Inka Grings den Jubel des Stürmers nach dem Tor.
Reinhard Franke
Reinhard Franke

Inka Grings war eine der besten Fußballerinnen in Deutschland. Sie spielte 16 Jahre lang in der Frauen-Bundesliga für den FCR 2001 Duisburg. Mit der deutschen Nationalmannschaft gewann sie zwei Europameistertitel und wurde in beiden Turnieren zudem Torschützenkönigin. Nach ihrer aktiven Laufbahn wollte sie als Fußballlehrerin arbeiten. Und sie erreichte ihr Ziel.

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Grings war die erste Trainerin in Deutschland, die mit dem Regionalligisten SV Straelen eine Herren-Mannschaft in den obersten vier Fußballligen übernahm. Außerdem war die gebürtige Düsseldorferin Cheftrainerin des Schweizer Frauen-Nationalteams. Im exklusiven SPORT1-Interview am Girls‘Day spricht die 45-Jährige über die Entwicklung im Frauenfußball, Julian Nagelsmann und ihren Plan, im professionellen Herrenbereich einzusteigen.

SPORT1-Reporter Reinhard Franke traf Inka Grings in Köln zum Exklusiv-Interview
SPORT1-Reporter Reinhard Franke traf Inka Grings in Köln zum Exklusiv-Interview

SPORT1: Frau Grings, Ihr MSV Duisburg hat Boris Schommers entlassen. Würden Sie sich den Job zutrauen?

Inka Grings: Da müssten viele Bedingungen passen. Ich würde nicht auf Teufel komm raus alles machen. Es tut mir für meinen Ex-Verein, bei dem ich 16 Jahre gespielt habe und auch als Trainerin tätig war, wahnsinnig leid. Auch für diese tollen Fans. In Duisburg herrscht eine tolle, fußballbegeisterte Fan-Kultur. Das Stadion ist auch top. Sportlich ist es gerade mehr als schwierig. Aber natürlich würde ich mich über eine Einladung zu einem Gespräch freuen. Es wäre sehr lehrreich - vielleicht für beide Seiten.

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SPORT1: Am Donnerstag ist der Girls‘Day - was bedeuten solche Anlässe für Sie?

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Grings: Ich finde jeden „Day-Anlass“ wichtig, um Aufmerksamkeit, Anerkennung und Wertschätzung zu bekommen. Für Mädchen ist es enorm wichtig, verstanden zu werden. Sich zeigen zu können, bestärkt zu werden, mutig und selbstbewusst zu sein. Als Frau empfinde ich diese Aktion sowieso als sehr positiv und nur begrüßenswert. Es ist toll, zu sehen, dass in den jungen Generationen keine großen Unterschiede gemacht werden und der Mensch im Vordergrund steht.

Grings machte es Alonso vor

SPORT1: Sie sind seit 2014 Trainerin. Wie blicken Sie zurück?

Grings: Es war sehr abwechslungsreich. Ich habe so viele Erfahrungen sammeln können in den unterschiedlichsten Stufen, Jahrgängen und Geschlechtern. Ich durfte in Neuseeland und Australien als Trainerin eine Weltmeisterschaft erleben. Ich konnte auch als Trainerin zum FC Zürich zurückkehren, bei dem ich gespielt habe. Dort waren wir sehr erfolgreich, haben Champions League gespielt und das Double gewonnen. Meine Erfahrungen in den Bereichen der U17 Bundesliga bei den Jungs und bei den Männern vom SV Straelen helfen mir als Trainerin. Fußball ist so facettenreich. Ich habe alle Bereiche abdecken können. In Duisburg sind wir abgestiegen, doch als Trainerin haben wir eine ganze Saison kein Spiel verloren. Das scheint jetzt Bayer Leverkusen zu gelingen. Das alles hat mich reifen lassen und zeigt mir, wie viel Spaß mir der Trainerjob macht.

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SPORT1: Sind Sie also der weibliche Alonso?

Grings: (lacht) Damals war ich das in der Tat. Aber wir müssen es jetzt umdrehen, denn ich habe mit dem MSV zuerst diese Sensation geschafft. Aktuell ist es sicherlich das Nonplusultra, was Alonso und sein Team da spielen.

Bayer Leverkusen ist Xabi Alonsos erste Trainerstation im Profibereich. Der Spanier formte die Werkself in nicht einmal zwei Jahren zum Deutschen Meister und Triple-Kandidaten.
02:31
"King Xabi": Wie Alonso vom Neuling zum Meistermacher wurde

Frauenfußball? „Wir erreichen aktuell nicht das Optimum“

SPORT1: Wie sehen Sie die Entwicklung des Frauenfußballs?

Grings: Generell wächst die Entwicklung und das Interesse am Frauenfußball. Es gibt viel mehr Spiele in großen Stadien, und wir haben Zuschauerrekorde, das ist eine tolle Entwicklung. Die Nationalmannschaft spielt wieder erfolgreich, wir fahren zu den Olympischen Spielen. Persönlich finde ich aber, dass wir aktuell nicht das Optimum erreichen und wir im Gesamtpaket, was die Frauen-Bundesliga angeht, mehr investieren müssen. Investieren eben auch auf und neben dem Platz. Die Präzision und die Athletik sind bei den Top-Klubs gut ausgebildet, bedingt sicherlich auch durch die internationalen Spielerinnen, die das ganze Niveau deutlich anheben. Allerdings glaube ich fest daran, dass wir durch stetiges, effektives und auch hoffentlich mehr spezifischeres Training das ganze Niveau deutlich steigern können.

SPORT1: Zuletzt waren Sie Cheftrainerin des Schweizer Frauen-Nationalteams. Das Team gewann unter Ihrer Leitung lediglich eines von 14 Spielen. Am 17. November 2023 gab der Schweizerische Fußballverband Ihr Aus bekannt. War das der schmerzvollste Moment in Ihrer Trainerkarriere?

Grings: Das war nicht einfach, denn die Situation beruhte auf falschen Äußerungen und Berichten. Ich fühlte mich machtlos. Es gibt Schlimmeres im Leben, aber es war wirklich nicht leicht. Ich bin jedoch jemand, der schnell wieder aufsteht, und diese unschöne Erfahrung verbuche ich auch als wertvoll. Bezüglich der wenigen gewonnen Spiele muss man sich schon erklären. Die Schweiz hat den Prozess der Verjüngung verpasst. Ich hatte die klare Aufgabe, dies nun bis zur EM 2025 einzufädeln. Wir haben die stärkste WM gespielt, die die Schweiz bis dato gespielt hat. Keine Niederlage gegen große Gegner und das Ausscheiden gegen den anschließend hochverdienten Weltmeister ist keine Schande. Die Verjüngung anschließend hat hervorragend gegriffen.

Grings: „Dann bin ich ein Typ wie Klopp“

SPORT1: Was für ein Trainertyp sind Sie? Der Schleifer wie Felix Magath, ein besessener Thomas Tuchel oder der emotionale Typ wie Jürgen Klopp?

Grings: Jürgen Klopp ist auch wahnsinnig besessen. Leider hat das Wort immer einen negativen Touch. Ich bin sehr ehrgeizig - als Mensch und als Trainer. Und ich bin super wissbegierig mit einer klaren Vorstellung. Ich bin mir aber auch nicht zu schade, mich komplett vor das Team und den Klub zu stellen, wenn es sein muss, um alle Personen zu schützen. Ich erwarte aber natürlich auch von meinen Spielern, dass sie alles für den Erfolg investieren. Ich bin absolut geradlinig, aber auch sehr flexibel. Mit mir kann man gut reden, doch am Ende treffe ich auch unbequeme Entscheidungen. Ich gehe offen und respektvoll mit jedem um und weiß, was ich will.

SPORT1: Also würden Sie sich am ehesten als Typ Klopp sehen?

Grings: Wie definiert man Klopp? Ich kann eine Mannschaft brutal motivieren und mit meinen Emotionen und meiner Leidenschaft die Spieler gut mitreißen. Wenn man das meint, dann bin ich ein Typ wie Klopp. So wie Magath bin ich auf gar keinen Fall. Auch wenn es dazugehört, dass man sich quälen muss. Von nix kommt nix.

SPORT1: Sie wollen die erste Frau als Trainerin im Profifußball Herren werden?

Grings: Ich möchte eine Sache klarstellen: Ich möchte nicht nur Männer trainieren. Das wird mir immer so ausgelegt, und das kann ich nicht gebrauchen, weil ich das nicht so sehe. Ich sehe nicht ein, warum eine Frau im Männerfußball nicht Fuß fassen kann. Natürlich traue ich mir das zu - egal, ob in der ersten oder zweiten Reihe. Aber auch den Spezialtrainer würde ich mega spannend finden. Ich bin mit Jungs groß geworden und für mich geht es nur um Fußball. Natürlich ist es ein Ziel von mir, in den Herrenbereich zu kommen. Für mich gibt es keinen Lieblingsverein. Für mich ist es wichtig, unter professionellen Bedingungen arbeiten zu können. Das kann man auch im Frauenbereich. Der Frauenfussball hat sich enorm entwickelt. Man traut uns Frauen aber immer noch nicht so viel zu. Der Weg in den Männerfußball ist sehr schwierig.

Pionierin Grings: „Ich war völlig entspannt“

SPORT1: Würden Sie auch als Co-Trainerin bei den Herren arbeiten?

Grings: Na klar, das kann ich mir sehr gut vorstellen. Auch, um erstmal ein Gefühl zu bekommen. Ich weiß noch nicht, wie der Männerfußball im Profibereich tickt. Ich komme aus dem Frauenbereich, der auch wahnsinnig intensiv ist. Aber nichtsdestotrotz ist das ein Bereich, in dem es Typen gibt, sei es bei den Männern oder bei den Frauen. Der einzige Unterschied ist der sprachliche Umgang. (lacht)

SPORT1: Als erste Trainerin übernahmen Sie mit dem Regionalligisten SV Straelen eine Herren-Mannschaft der obersten vier Fußball-Ligen in Deutschland. Wie war das?

Grings: Tatsächlich war ich völlig entspannt. Glücklicherweise hatte ich mir darüber gar keine Gedanken gemacht. Wir hatten einen super interessanten Kader, in dem viele Zweitligaspieler waren, die 50-60 Spiele auf dem Buckel und schon in der Nationalmannschaft gespielt hatten. Da waren echte Typen dabei. Die Jungs merkten schnell, dass ich weiß, wovon ich spreche. Das war für sie normal. Es war nur ungewohnt, eine Frauenstimme auf dem Platz zu hören (lacht). Ich habe aber heute noch guten Kontakt zu den Spielern. Der Topspieler war Adli Lachheb. Er sagte mir später mal, dass ich zu spät kam. Wenn ich früher gekommen wäre, wären wir nicht aus der Regionalliga abgestiegen. Für mich war es eine tolle Erfahrung, die großen Spaß gemacht hat.

„Der FC Bayern hat den Faden verloren“

SPORT1: Der FC Bayern tut sich gerade sehr schwer mit der Trainersuche. Julian Nagelsmann bleibt lieber beim DFB, Xabi Alonso bleibt lieber in Leverkusen. Wundert Sie das?

Grings: Ich finde es völlig ungewohnt, dass ein so großer Verein, dem ich jeglichen Respekt zolle, gerade so von der Rolle ist. Der FC Bayern hat den Faden verloren. Es gibt nicht mehr die Souveränität wie einst. Es gab viele Spielerwechsel, Trainerentlassungen und viel Unruhe im Klub. Dass man keinen Trainer findet, ist das Spiegelbild der aktuellen Schieflage. Das ist schon alarmierend.

SPORT1: Ralf Rangnick hat jetzt Kontakt mit dem FC Bayern bestätigt. Wäre er der Richtige? Viele Fans würden damit nicht einverstanden sein…

Grings: Aber das ist das Problem am Fußball: Die Fans nehmen sich immer mehr raus. Das würden sie in ihrem Arbeitsumfeld auch nicht wagen. Ralf Rangnick, mit seiner Erfahrung, seiner Vergangenheit und dem, was er beim österreichischen Verband aufgebaut hat, kann auch vorzeigen, wie wichtig dies ist. Er will wissen, wie die Strukturen sind. Bayern München braucht wieder mehr Erfahrung. Der Klub war immer am stärksten mit den erfahrenen Leuten. Ich halte Rangnick für eine hochinteressante Personalie.

„Zuletzt hat Nagelsmann Lehrgeld bezahlt“

SPORT1: Welcher männliche Trainerkollege beeindruckt Sie besonders und warum?

Grings: Julian Nagelsmann. Ich habe den Fußballlehrer mit ihm gemacht und durfte ihn dort kennenlernen. Seine Entwicklung habe ich gerne beobachtet. Wir haben mehrere Monate viel Zeit zusammen verbracht. Nagelsmann ist eine sehr interessante Person. Zuletzt hat er Lehrgeld bezahlt, aber seine Karriere ist bisher äußerst spannend verlaufen. Er wird sich weiterhin entwickeln. Schon damals habe ich gesehen, dass er eine extrem hohe Qualität besitzt, sowie eine starke Selbstüberzeugung und gesunde Arroganz. Beides strahlt Nagelsmann aus, aber beides braucht man auch. Ich habe immer wieder Kontakt mit ihm und beobachte seine Entwicklung weiterhin sehr gerne.

SPORT1: War es ein guter Move von Nagelsmann, beim DFB bis nach der WM 2026 zu verlängern?

Grings: Nagelsmann ist der große Gewinner. Er lacht sich ins Fäustchen. Ganz ehrlich? Ich hätte nicht gedacht, dass er beim DFB bleibt. Er hatte mal gesagt, dass er eigentlich lieber Vereinstrainer sein und etwas entwickeln will. Das kannst du als Nationaltrainer nicht, weil du keine Zeit hast. Aber eine EM und WM vor der Brust zu haben, das sind Erfahrungswerte, die du als Trainer wohl nie wieder bekommen wirst. Das macht es auch von der Logik her total spannend. Persönlich finde ich es echt gut.

Julian Nagelsmann entscheidet sich für den Bundestrainer-Job bis 2026. Die Bayern schauen in die Röhre. Für die Runde im STAHLWERK Doppelpass eine gute Entscheidung.
04:07
STAHLWERK Doppelpass: DFB statt Bayern: Runde diskutiert über Nagelsmann

SPORT1: Jürgen Klopp hört im Sommer erstmal auf und macht ein Jahr Pause. Würden Sie ihn gerne mal treffen?

Grings: Super gerne. Klopp hat so eine tolle Persönlichkeit, er ist so wahnsinnig erfolgreich. In Liverpool hat er einfach die Sicherheit bekommen, wo ihm immer der Rücken gestärkt wurde. Das wünscht sich jeder Trainer und jede Trainerin. Das vermisst man. Die Spieler bekommen heutzutage zu viel Macht. Was Jürgen Klopp oder Christian Streich erfahren durften, ist nicht selbstverständlich. Kloppo hat sich nie verloren.

SPORT1: Sie waren 2022 im STAHLWERK Doppelpass zu Gast. War das für Sie wichtig mit Blick auf den Status von Frauen im Fußball?

Grings: Ja, sowieso. Generell ist es für Frauen im Fußball wichtig, dass über das Thema gesprochen wird. Es darf nur nicht zu sehr nerven, wenn es zu oft thematisiert wird. Mir geht es um Fußball. Ich sage nicht „Frauen an die Macht“, sondern es muss von der Qualität, vom Know-how und von der Art und Weise passen. Es gibt wenige Frauen, die sich klar positionieren und sagen „Wir reden hier über Fußball“.