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Formel 1: Ex-Mercedes-Sportchef Norbert Haug im SPORT1-Interview

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Formel 1: Ex-Mercedes-Sportchef Norbert Haug im SPORT1-Interview

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"Das geilste Rennen seit Ben Hur"

Vor dem Showdown in Abu Dhabi spricht Norbert Haug bei SPORT1 über die Chancen der beiden Kontrahenten Hamilton und Rosberg.
Tobias Wiltschek
Tobias Wiltschek

Es ist der finale Showdown.

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Am Sonntag fällt in Abu Dhabi (Training, Fr. ab 10 Uhr LIVE im TV auf SPORT1 u. LIVETICKER) zwischen Lewis Hamilton und Nico Rosberg die Entscheidung um den WM-Titel.

Einer, der lange beider Chef war, ist Norbert Haug. Der 61 Jahre alte "ARD"-Motorsportexperte war von Oktober 1990 an mehr als 22 Jahre Motorsportchef bei Mercedes und in dieser Position verantwortlich für die Nachwuchsarbeit, die DTM und sämtliche Formel-1-Aktivitäten.

Haug förderte bereits vor 14 Jahren Hamilton und Rosberg im von Mercedes und McLaren finanzierten Kart-Team und verfehlte mit dem jungen Hamilton in dessen erstem Jahr als Formel-1-Pilot den WM-Titel um einen Punkt.

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2010 holte er Rosberg zu den Stuttgartern, der im April 2012 den ersten Silberpfeil-Sieg der Formel-1-Neuzeit errang.

Unter seiner Leitung feierte McLaren-Mercedes drei WM-Triumphe: 1998 und 1999 mit dem Finnen Mika Häkkinen und 2008 mit Hamilton. Auch im Jahr darauf war Mercedes am Sieg beteiligt: Jenson Button siegte mit einem Silberpfeil-Motor für Brawn GP-Mercedes.

Mit SPORT1 sprach Haug über den Erfolgsweg von Mercedes, die Risiken des Zweikampfes und wer Nico Rosberg hilft

SPORT1: Herr Haug, im letzten Rennen kommt es zum Showdown zwischen Nico Rosberg und Lewis Hamilton. Ruft diese Konstellation bei Ihnen Erinnerungen an vergangene Titelduelle hervor, die auch erst im letzten Rennen entschieden wurden?

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Norbert Haug: Und wie. Bei drei der vier Fahrer-Weltmeistertitel, die mit unseren Partnerteams zwischen 1998 und 2009 für Mercedes eingefahren wurden, fiel die Entscheidung im allerletzten Rennen - allerdings nie, wie jetzt, nur zwischen den Mercedes-Fahrern. Einmal dafür aber in der allerletzten Kurve, 2008, als Lewis Hamilton im McLaren-Mercedes 500 Meter vor dem Ziel noch den für den WM-Titel notwendigen fünften Platz holte. Noch ein Jahr zuvor hatten er und sein Teamkollege Fernando Alonso nach dem letzten Rennen beide exakt einen Punkt weniger auf ihren Konten als Kimi Raikkönen, der damit den Titel für Ferrari holte. Mika Häkkinen gewann 1998 im McLaren-Mercedes beim Showdown mit Michael Schumacher im Ferrari seinen ersten Weltmeistertitel, 1999 wiederholte Mika diese Glanzleistung gegen Eddie Irvine. Jenson Button wurde 2009 beim vorletzten Rennen in Brasilien im Brawn GP-Mercedes, dem Vorgängerteam der jetzt dominanten Silberpfeile, Weltmeister.

SPORT1: Worauf Mercedes das Weltmeisterteam übernahm und sich nach insgesamt drei WM-Titeln 1998, 1999 und 2008 vom langjährigen Partner McLaren trennte, was der Beginn der aktuellen Erfolgsstory war.

Haug: Kurz vor Jahresende 2009 übernahmen wir das Team zu günstigen Konditionen, das damals nicht halb so groß war, wie die Topteams und weniger als halb so viel Budget zur Verfügung hatte. Der Anfang war entsprechend hart, und erst nach über zwei Jahren holte Nico Rosberg beim China-GP unseren ersten Sieg mit neuem Team, der auch Nicos erster war. Jetzt, in der fünften Saison, wurde das Silberpfeil-Werksteam Konstrukteurs-Weltmeister und seine beiden Fahrer Hamilton und Rosberg machen beim letzten Rennen den Titel unter sich aus. Ich freue mich sehr, dass die Saat auch im sehr harten Boden der Anfänge in der Folge so prächtig aufging.
Michael Schumacher, der in den ersten drei Jahren maßgeblich mit die Weichen stellte, hat großen Anteil an diesem Erfolg, genauso wie Ross Brawn und Bob Bell. Gratulation an Toto Wolff, Andy Cowell, Paddy Lowe und Niki Lauda, stellvertretend für alle im Team. Der jetzt verantwortlichen Teamleitung und ihrer Mannschaft gebührt größte Anerkennung. Ich konnte damals die Übernahme des Brawn GP-Teams und das Comeback von Michael Schumacher und Nico Rosberg nur voller Überzeugung vorschlagen - was würde ich als Racer wohl auch anderes tun. Die Entscheider an der Spitze um Daimler-CEO Dieter Zetsche mit Technik-Vorstand Thomas Weber und CFO Bodo Uebber haben gemeinsam mit ihren Vorstandskollegen das aktuelle Silberpfeil-Werksteam möglich gemacht.
Der neue Vertriebsvorstand Ola Källenius hat vor zehn Jahren als Formel 1-Motorenchef mit Andy Cowell und später auch mit seinem späteren Nachfolger Thomas Fuhr und all ihren fähigen Mitarbeitern die Basis geschaffen, aus der die aktuell beste Antriebseinheit der Königsklasse hervorging. Ich möchte diese unmittelbar auch mit dem Motorsport befassten Manager angesichts des jetzt doppelten Weltmeister-Titelgewinns stellvertretend für alle Daimler- und Mercedes-Vorstände nennen, die dem Motorsport und der Formel 1 auch in schwierigen Zeiten die Stange hielten, genauso wie Källenius´Vorgänger Joachim Schmidt. Zu Recht, wie man sieht, das aktuelle Team hat jetzt alles Vertrauen und Durchhaltevermögen gerechtfertigt.

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SPORT1: Sie waren viele Jahre in verantwortlicher Position bei Mercedes in der Formel 1. Träumt man als Motorsportchef von so einer Konstellation vor dem letzten Rennen?

Haug: Es waren am Ende zweiundzwanzigeinhalb, und es wurde mir dabei nur selten langweilig, nur ganz wenige der insgesamt über 8000 begeisterten Racer-Tage möchte ich missen. Könnte man sich es wünschen, würde man den Weltmeistertitel am liebsten schon kurz nach Saisonhalbzeit holen, dauert es dann bis zur letzten Kurve der letzten Runde des letzten Rennens, weiß man, was der sportlich wertvollere Titel ist. Hätte es das Duell und den absolut freien Kampf ohne Teamorders der Silberpfeil-Piloten nicht gegeben, hätte der Formel 1 nach meiner Einschätzung in dieser Saison ihr Dreh-und Angelpunkt, ihr Herz und ihre Seele gefehlt. Dass das Silberpfeil-Team in bester Mercedes-Tradition allerbesten und fairen Sport ohne Orders darbot, ist für mich so wichtig wie der doppelte Titelgewinn mit womöglich 16 Siegen in 19 Rennen, und bestimmt empfinde nicht nur ich so.
Durch Order arrangierte Siege sind nach meinem Empfinden nicht den Bruchteil des echt herausgefahrenen Sieges wert, großer Sport ist so wertvoll wie große Siege. Beides hat die Silberpfeil-Mannschaft mit Bravour geboten. Chapeau, Silberpfeile - Niki wird nie zuvor so viel gute Gründe gehabt haben, sein Kapperl zu ziehen wie nach dieser historischen Formel1-Saison.

SPORT1: Welche Risiken birgt die Ausgangslage, wenn zwei Piloten aus demselben Team im letzten Rennen um den Titel fahren?

Haug: Lewis oder Nico werden nach Abu Dhabi Formel1-Weltmeister 2014 sein und das Silberpfeil-Team ist es bereits. Das Risiko für die laufende Saison wurde durch harte und zielgerichtete Teamarbeit über etliche Jahre minimiert und der Siegeszug 2014 voller Konsequenz und in bestem Teamplay umgesetzt. Keiner im Team hat irgendetwas geschenkt bekommen, alles wurde hart erarbeitet, und der ganz große Erfolg ist wohlverdient. Das Mercedes AMG-Team hat in den bisherigen 18 Rennen 24 Punkte mehr geholt als seine beiden nächsten Verfolger Red Bull-Renault und Williams-Mercedes zusammen.

SPORT1: Wie wichtig war es für Rosberg, das vergangene Rennen gewonnen und Hamilton hinter sich gelassen zu haben?

Haug: Sehr wichtig. Aber Nico ist der erste, der weiß, welches Renntier im allerbesten Sinne in Lewis steckt. Und Lewis weiß, dass Nico selbstbewusst und selbstsicher seine Chance suchen wird. Nico muss bekanntlich gewinnen, will er Weltmeister werden - aber Lewis will keineswegs mit Platz zwei im Finale Weltmeister werden. Ein sportlicher Showdown, den kein Drehbuchautor besser hätte aufschreiben können und eine Traumkonstellation für den Sport beim großen Finale für Millionen gespannter Betrachter auf der ganzen Welt.

SPORT1: Will Rosberg Weltmeister werden, muss er in Abu Dhabi gewinnen und Hamilton darf höchstens Dritter werden. Oder er muss auf einen Ausfall des Rivalen hoffen. Welches der beiden Szenarien halten Sie für wahrscheinlicher?

Haug: Ich kann mir nicht ernsthaft ein wahrscheinliches Final-Szenario vorstellen. Beide Fahrer sind ausgeglichen Favorit auf den Sieg und beide wollen ihn mit allem, was in ihnen und ihren Teams steckt.

SPORT1: Wer könnte der Pilot sein, der sich zwischen die beiden Mercedes-Fahrer schiebt und Rosberg zum Weltmeister macht?

Beide Williams-Mercedes-Fahrer, Bottas vielleicht noch etwas mehr als Massa. Mit Außenseiterchancen vielleicht auch Vettel und Ricciardo in den Red Bull-Renault. Läuft Abu Dhabi allerdings so wie über 60 Prozent aller bisherigen 18 Rennen, sind die beiden Silberpfeile nicht zu schlagen. Doch gerade in großen Formel 1-Finals kam es erstens öfter anders und zweitens als man denkt.

SPORT1: Für Mercedes-Benz ist die wichtigste Mission mit dem Gewinn der Konstrukteursmeisterschaft bereits erfüllt. Geht man da entspannter in ein letztes Rennen?

Haug: Keineswegs. Niemals zuvor während der Saison wird die Anspannung jemals größer gewesen sein. Nach jedem Rennen zuvor gab es ein nächstes und die nächste Chance. Das hier ist EIN Rennen mit EINER Chance für ZWEI Fahrer. Auf die nächste muss der Unterlegene im besten Falle fast ein ganzes Jahr warten. Deshalb wird Abu Dhabi am Wochenende zum megacoolen event, gewissermassen zum geilsten Rennen seit Ben Hur.

SPORT1: Beide Piloten und deren Crews werden versuchen, die internen Regeln so weit wie möglich für sich zu nutzen. Wie schwer ist es da für das Team, beide Rivalen tatsächlich gleich zu behandeln?

Haug: Das wurde oft genug praktiziert, aber trotzdem ist dieses Rennen DAS Rennen. Eine Vorentscheidung kann auch bereits im Qualifying fallen und alle im Team werden alles Notwendige tun, dass nicht ein technisches Problem für eine Vorentscheidung vor oder eine Entscheidung im Rennen sorgt. Hundertprozentige Garantien dafür gibt es in der filigranen Formel1-Technik, die sich am absoluten Limit bewegt, allerdings so wenig wie es eine hundertprozentige Sieggarantie jemals geben wird. Und gäbe es die, wäre die Formel 1 nicht die Formel 1.

SPORT1: Wie laufen die letzten Tage vor so einem wichtigen Rennen ab, werden die Piloten noch eingehender instruiert, die Fahrzeuge noch genauer auf eventuelle Anfälligkeiten hin untersucht?

Haug: Die Jungs werden im übertragenen Sinn jedes Teil küssen und unter dem Brennglas betrachten, bevor sie es in die Autos bauen. Es wird ganz bestimmt nicht an allergrößter Sorgfalt mangeln. Aber man steckt, wie man so schön sagt auch im hässlichsten Fall eines Ausfalles nicht drin. Präziser als die Silberpfeil-Mannschaft in diesem Jahr kann man nicht arbeiten, und sollte dann im großen Finale unerwartungsgemäß technisch doch etwas schief laufen, dann hat diese Mannschaft Verständnis verdient. Sie hat alles Menschenmögliche getan, damit alles klappt und das Rennen und nicht die Technik entscheidet.

SPORT1: Wie hoch schätzen Sie die Gefahr ein, dass die WM durch einen Unfall zwischen den beiden Mercedes-Piloten entschieden wird?

Haug: Als ausgesprochen gering. Weder Lewis noch Nico wollen durch einen von ihnen verursachten Crash Weltmeister werden, dessen kann sich jeder noch so argwöhnische Betrachter sicher sein.