Von Tobias Wiltschek
Rosberg erzwingt den Titel-Showdown
Sao Paulo/München - Jetzt weiß also auch Nico Rosberg, wie sich ein Triumph in Brasilien anfühlt.
Im Sommer noch bejubelte er den WM-Sieg der deutschen Fußballer in Rio. Nach dem vorletzten Rennen der Formel-1-Weltmeisterschaft stand er in Sao Paulo selbst auf dem Siegerpodest ganz oben.
Den WM-Pokal bekam er für seinen Erfolg nicht in die Hände gedrückt, und doch war dieser Sieg sein wichtigster in dieser Saison (DATENCENTER: Das Renn-Ergebnis).
Denn damit hat er nicht nur seine knapp viermonatige Durststrecke beendet, sondern seine Chancen erheblich verbessert, in zwei Wochen in Abu Dhabi die Trophäe für den Weltmeister in die Höhe recken zu können.
Mit seinem Start-Ziel-Sieg vor Lewis Hamilton und dem frenetisch gefeierten Lokalmatador Felipe Massa verkürzte er den Rückstand im Titelrennen auf seinen Teamkollegen auf 17 Punkte (DATENCENTER: WM-Stand Fahrer).
Sicher, selbst nach einer erneuten Niederlage gegen Hamilton hätte Rosberg noch theoretische Chancen auf den Titel gehabt.
So aber besteht statt der theoretischen eine ganz realistiche Möglichkeit, noch Weltmeister zu werden: Ein Sieg beim letzen Rennen in Abu Dhabi und ein dritter Platz des Briten, und Rosberg wäre zum ersten Mal Formel-1-Champion.
Die Verdopplung der Punkte beim Saisonfinale lässt den Deutschen wieder vom großen Coup träumen, auch wenn er ehrlich zugibt: "Die Regel mit den doppelten Punkten finde ich noch immer zu künstlich."
Gäbe es diese Neuerung allerdings nicht, würde Hamilton bei einem Sieg von Rosberg schon ein sechster Platz am Persischen Golf reichen, um zum zweiten Mal nach 2008 Weltmeister zu werden. So jedoch steigt der Druck auf den Engländer, der sich beim Saisonfinale keinen Ausrutscher erlauben darf.
Rosberg dagegen tankt rechtzeitig vor dem Showdown noch einmal mächtig Selbstvertrauen.
"Das war ein großer Schritt in die richtige Richtung. So kann es weitergehen", sagte der 29-Jährige, der das teaminterne WM-Duell als "großartigen Kampf" bezeichnete.
In Sao Paulo demonstrierte er, dass er diesem Kampf auf Biegen und Brechen auch nervlich gewachsen sein kann. Diese Fähigkeit hatten ihm nach seiner Vorstellung in Austin, als er Hamilton ohne große Gegenwehr an sich vorbeiziehen ließ, nicht mehr viele zugetraut.
"Ich wusste, dass ich mir keinen Fehler erlauben darf. Da habe ich aus dem letzten Rennen in Austin gelernt", erzählte er erleichtert.
Für zusätzliche Hoffnung dürfte bei ihm aber auch gesorgt haben, dass sein Rivale in dieser entscheidenden Phase der Saison auch nicht frei von Fehlern ist.
In Sao Paulo riskierte Hamilton in Runde 29 bei der Jagd auf Rosberg zu viel und rutsche nach einem Verbremser von der Strecke (
).
In der Folge schloss er zwar noch einmal zum Führenden auf, konnte aber keinen Angriff mehr lancieren.
"Das war ein unglaubliches Rennen. Aber mein Fehler hat mir letztendlich den Sieg gekostet. Daran war einzig und allein ich schuld", erklärte Hamilton. Seine Chancen auf den WM-Titel sieht er dadurch aber nicht geschmälert: "In Bezug auf Abu Dhabi hat sich bei mir nicht viel geändert."
Er weiß, dass er auf dem Yas-Marina-Circuit nicht unbedingt gewinnen muss, um sich nach dem Rennen als neuer Weltmeister feiern zu lassen. Es ist also nicht zu erwarten, dass er noch einmal ein so hohes Risiko eingeht wie in Sao Paulo (SHOP: Jetzt Motorsport-Artikel kaufen).
Rosberg bleibt die Hoffnung, dass sich in Abu Dhabi noch einmal ein anderer Pilot vor Hamilton platzieren kann, so wie es Valtteri Bottas auf dem Hockenheimring und Fernando Alonso in Ungarn gelang.
In beiden Rennen wurde Hamilton Dritter. Schlechter war er in dieser Saison noch nie, wenn er ins Ziel kam.
Eigentlich schmecke ihm die neue Regelung mit der doppelten Punktevergabe nicht, sagte Rosberg nach seinem Sieg in Sao Paulo.
Sollte sie ihm aber zum WM-Titel verhelfen, wird er sich sicherlich mit ihr arrangieren können.