München/Monza - Fernando Alonso schaute kurz nach rechts, dann nach links.
Bis dass der Titel entscheide
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Der spanische Ferraripilot schmunzelte, um dann auf der Pressekonferenz zum Italien GP in Monza (Training, Fr., ab 10 Uhr LIVE im TV auf SPORT1 und im LIVE-TICKER) zu sagen: "Ich bin doch kein Friedensstifter!"
Links neben ihm saß Lewis Hamilton; rechts neben ihm Nico Rosberg. Doch selbst ein Diplomat Alonso könnte wohl das nicht mehr kitten, was sich bei Mercedes längst vollzogen hat: der offene Bruch zwischen den beiden Piloten.
Der Zwist geht soweit, dass Mercedes die beiden Rivalen nun sogar voneinander abschirmt (BERICHT: Die nächste Eskalationsstufe droht).
Der Crash von Spa (BERICHT: Ricciardo siegt dank "Krieg der Sterne") liegt wie ein böser Schatten (PRESSESTIMMEN: "Der Krieg bricht aus") über dem kommenden Weltmeisterteam. Beide Fahrer schließen weiteren Zwist im Cockpit nicht aus. Hamilton stellt offen Anweisungen aus der Box in Frage. Es ist ein Scheinfriede ohne Aussicht auf Erfolg.
Hamilton frustriert
"Es ist seit längerer Zeit das erste Mal, dass wir beide zusammen in einem Raum sind", meinte Hamilton vor dem Rennwochenende in der Lombardei. Und, dass Vertrauen ein sehr großes Wort sei. "Aber es ist fehl am Platz, wenn man Rennen fährt. Ich denke wir beide haben schon vor langer Zeit ein Fundament gelegt."
Und damit die Basis für publikumswirksame Scharmützel, die wohl erst enden werden, wenn einer von beiden Weltmeister sein wird (DATENCENTER: WM-Stand Fahrer).
Aufsichtsratsboss Niki Lauda hatte Rosberg zum Rapport gebeten und ein Machtwort gesprochen - eigentlich (NEWS: Strafe für guten Zweck?). Den Frust Hamiltons' mochte dies nicht lindern.
Rosberg schaut miesmuffig
Der nutzte die Frage einer Journalistin nach der Auslegung eines solchen Vergehens wie dem Auffahrunfall in Spa durch den Weltverband FIA (NEWS: FIA bestraft Rosberg nicht) als Steilvorlage für einen etwas mehr als einminütigen Monolog.
"Nicht immer greifen die Regeln richtig. Die Frage ist, was wir mit in die Zukunft nehmen", sagte der 29-Jährige fragend in die Runde. "Dürfen wir jetzt etwa näher aufeinander drauf fahren? Ist es in Ordnung, wenn jemand anderes aus dem Rennen fliegt? Bleiben wir entspannt oder wird sowas bestraft, sollte es nochmal passieren?"
Und während Hamilton so vor sich hinsprach schaute Rosberg, der ihn in Spa mit seiner wilden Fahrweise von hinten über die Curbs geboxt hatte, miesmuffig drein.
Der 29-Jährige versuchte vergeblich zu beschwichtigen, wo es längst nichts mehr herunterzuspielen gibt
Eindruck täuscht
"Ich habe mir die Woche Zeit genommen, die Szene angeschaut und mit dem Team darüber gesprochen. Ich habe für mich entschieden, dass ich die Verantwortung übernehmen muss", schilderte er mit reumütigem Blick. "Ich war nicht stolz darauf, wie es am Ende in Spa gelaufen ist."
Der Crash sollte eigentlich ein mahnendes Beispiel sein, dass sich Mercedes eine bisher so grandiose Saison (DATENCENTER: WM-Stand Teams) nur selbst vermiesen kann. Meint man zumindest. Der Eindruck täuscht.
Nachdem Rosberg gefühlt duzendfach in den vergangenen Tagen auf Social-Media-Plattformen oder bei öffentlichen Auftritten "es tut mir leid", "Entschuldigung!" oder "es war ein Fehler" ausgesprochen hat, bewies auch er vor dem Italien-GP, dass der Wettkampf um den Titel keine Aussöhnung erlaubt.
"Natürlich ist es ein Teil des Sports", sagte er auf die Frage, inwieweit psychologische Kriegsführung ein Erfolgsfaktor sei.
Kampfansage Hamiltons
Hamilton seinerseits ließ keinen Zweifel daran, auf was sich alle, die zu Mercedes halten, in den verbleibenden sieben Rennen (DATENCENTER: Der Rennkalender) einstellen müssen.
Er verwies auf den Ungarn-GP (BERICHT: Ricciardo triumphiert in Chaosrennen), in dem er Rosberg nach Anweisung der Teamleitung nicht vorbeiziehen lassen wollte.
"Wir haben das Recht, dass wir auch mal Befehle in Frage stellen. Manchmal stellt sich hinterher heraus, dass eine Stallorder nicht die richtige war", sagte er. "Nico war nicht nahe genug dran, um die Wahl zu haben."
Der Frust von Spa, so wirkt es, lässt Hamilton nicht mehr los. Der Brite wirkt gewillter denn je, seinem Kollegen den Traum vom ersten Titel zu rauben.
Es ist eine Konstellation, die längst die Fahrerlager in seinen Bann gezogen hat.
Vettel witzelt
"Vielleicht habe ich es nicht drauf, anderen eine Panne zuzufügen. Es war lustig zu sehen, wie das Team Strafen ausgesprochen hat", sagte der (noch) amtierende Weltmeister Sebastian Vettel. "Aus der Sicht von Lewis kann man nur sagen: Shit happens!"
Frei übersetzt meinte der Heppenheimer: "Sch? passiert!" Er dürfte Recht behalten. Selbst weitere Crashs unter Teamkollegen sind in dieser Gemengelage nicht ausgeschlossen. Frieden können weder Vettel noch Alonso noch Lauda stiften. Die nächste Eskalationsstufe ist längst erreicht.