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Handball-WM: Wüstenemirat Katar erkauft sich sportlichen Erfolg

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Handball-WM: Wüstenemirat Katar erkauft sich sportlichen Erfolg

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Das System Katar

Die Weltauswahl des Wüstenemirats Katar stürmt bei der Handball-Weltmeisterschaft 2015 von Sieg zu Sieg. Droht bei der Fußball-WM 2022 ein ähnliches Szenario?
Die Eröffnungszermemonie beim Asien-Cup 2011 in Katar
Die Eröffnungszermemonie beim Asien-Cup 2011 in Katar
© Getty Images
Jonas Nohe
Jonas Nohe

Der Aufschrei war groß, die Reaktionen der deutschen Fans heftig. Von Wettbewerbsverzerrung war zu lesen, von Betrug, der Gegner wurde als Söldner-Truppe beschimpft.

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Mit 24:26 zogen die deutschen Handballer im WM-Viertelfinale gegen Gastgeber Katar den Kürzeren. Oder muss man sagen, gegen eine Weltauswahl unter katarischer Flagge?

Der Großteil der Mannschaft besteht aus eingebürgerten Stars aus der halben Welt - und mit deren Unterstützung hat der spanische Starcoach Valero Rivera allem Anschein nach eine neue Handball-Großmacht aus dem Boden gestampft.

Frankreich feiert bei der Handball-WM in Katar
Frankreich feiert bei der Handball-WM in Katar
Frankreich feiert bei der Handball-WM in Katar
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Handball-WM in Katar: Die Bilder der K.o.-Runde

Deren Erfolg bei der WM im eigenen Land soll nur der Anfang sein für eine große Offensive der neuerdings sportbegeisterten Wüstennation.

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Katar als Sinnbild für sportliche Großevents

"Die Katarer schauen Sport lieber zuhause am Fernseher", hatte Katars Junioren-Handballnationaltrainer Bob Zermani vor der WM noch bei SPORT1 erklärt: "Sie gehen nicht in die Halle oder ins Stadion. Das wollen sie einfach nicht." Mit dem Erfolg ihrer Mannschaft scheint sich das zu ändern. 14.500 Zuschauer waren beim Viertelfinale gegen Deutschland in der Lusail Multipurpose Hall.

Bei der Rad-WM 2016, der Turn-WM 2018 oder der Leichtathletik-WM 2019 könnte sich das wiederholen - nahezu in jedem Jahr steigen im Emirat große Titelkämpfe. Die Krönung soll in Bälde die Ausrichtung der Olympischen Spiele sein. "Es ist keine Frage, ob wir die Spiele bekommen, sondern nur, wann", sagt der Generaldirektor des Nationalen Olympischen Komitees, Scheich Saoud Bin Abdulrahman Al-Thani, selbstbewusst.

Erfolg durch Einbürgerung

Bis es soweit ist, bleibt immerhin die Fußball-WM 2022 als großer Höhepunkt im katarischen Sportkalender. Ob der Gastgeber dann auch eine Auswahl an eingebürgerten Legionären auf den Rasen der zwölf, zum größten Teil noch zu errichtenden WM-Arenen schicken wird?

Gold medalist Saif Saaeed Shaheen of Qat
Gold medalist Saif Saaeed Shaheen of Qat

Eines ist klar: Die Einbürgerung von Spitzensportlern in Katar ist kein neues Phänomen. 1999 verpflichteten die Scheichs mit Blick auf Olympia 2000 acht bulgarische Gewichtheber. Der zuvor als Angel Popov bekannte Said Saif Asaad holte unter neuer Flagge immerhin die Bronzemedaille.

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Noch etwas prominenter ist der Fall Stephen Cherono - oder wie er seit 2002 heißt: Saif Saaeed Shaheen. Der in Kenia geborene Weltklasse-Langstreckenläufer wurde 2003 und 2005 unter katarischer Flagge Weltmeister über 3000 Meter Hindernis, 2004 bescherte er dem Wüstenstaat dann sogar einen bis heute gültigen Leichtathletik-Weltrekord.

In beiden Fällen konnte man von einer klassischen Win-Win-Situation sprechen: Das Land bekam erfolgversprechende Spitzenathleten, die Sportler entgingen dem harten Konkurrenzkampf in ihren Geburtsländern und ernteten obendrein eine fürstliche Bezahlung.

"Das sind ja finanzielle Größenordnungen, die können wir uns in Deutschland nicht mal vorstellen", sagt SPORT1-Handballexperte Stefan Kretzschmar und verteidigt die Neu-Katarer: "Wenn ich die Möglichkeit habe, so viel Geld zu verdienen, innerhalb von so wenig Zeit, und damit meinen gesamten Familienstamm in meinem Heimatland vielleicht bis zum Ende des Lebens ernähren kann, dann muss diese Entscheidung jeder für sich selbst treffen."

FIFA schiebt Riegel vor

Auch im Fußball machte Katar schon Jagd auf in Deutschland bekannte Namen: Auf die katarischen Riyal wären Ailton und Dede sicherlich nicht angewiesen gewesen. Weil sie aber in der Selecao nicht zum Zug kamen, liebäugelten die damaligen Bundesliga-Stars 2004 dennoch mit einem Nationenwechsel, die Qualifikation für die WM 2006 in Deutschland war das erklärte Ziel.

Allein, der Weltverband FIFA schob dem Treiben einen Riegel vor und entschied, dass der Spieler, ein Eltern- oder ein Großelternteil im betreffenden Land geboren sein, oder der Spieler mindestens zwei Jahre dort gelebt haben muss.

Eine Regelung, die sich Kretzschmar so oder so ähnlich auch für den Handball wünschen würde. Es sei äußerst fragwürdig, "ob man so oft man will einfach mal die Nationalität wechselt und dann für welches Land auch immer spielt."

Bayern Muenchen-Doha Training Camp Day 6-Aspire Academy
Bayern Muenchen-Doha Training Camp Day 6-Aspire Academy

Dass die Beispiele der beiden Star-Torhüter Goran Stojanovic und Danijel Saric, die zuvor schon für andere Länder A-Nationalspiele absolvierten, sich so ähnlich bei der Fußball-WM 2022 wiederholen könnten, muss indes kein deutscher Fußballfan fürchten - den deutlich strengeren FIFA-Regularien sei Dank.

Ohnehin verfolgen die Katarer im Fußball aber schon einen anderen Ansatz. Seit mittlerweile zehn Jahren werden auf dem 300.000 Quadratmeter großen Gelände der eindrucksvollen Aspire Academy hoffnungsvolle Nachwuchskicker herangezogen.

"Wir sind nicht dumm"

Mit einem großangelegten Scouting-Programm lotsen die Verantwortlichen vielversprechende Talente aus Afrika, Lateinamerika und Asien nach Katar. Um ihnen die bestmögliche Ausbildung bieten zu können, holen die Katarer zahlreiche sogenannte "Expats" ins Land. Zu diesen ausländischen Fachleuten gehört unter anderem der deutsche Sportdirektor der Aspire Academy, Andreas Bleicher.

Dass bei der WM 2022 zum Beispiel afrikanisch-stämmige Spieler für Katar auflaufen, wollte er jüngst in der New York Times nicht ausschließen.

"Einige dieser Spieler könnten für Katar spielen wollen, weil Katar ihnen geholfen hat, als es ihre Heimatländer nicht getan haben", vermutet Bleicher. Der Regelfall soll das aber ohnehin nicht sein.

"Wenn wir einige Spieler einbürgern, was passiert dann? Jeder wird uns verurteilen. Jeder wird das sehen. Wir sind nicht dumm, und genauso wenig ist das irgendjemand anderes."

Wie das Beispiel der Handball-WM aktuell bereits unter Beweis stellt.

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Investitionen in Jugend

Die Bemühungen der katarischen Fußballabteilung tragen bereits erste Früchte. Im Oktober sicherte sich die U19 den Titel bei den Asienmeisterschaften.

"Dieser Titel zeigt, was wir erreichen können", sagt Ivan Bravo, Generaldirektor der Aspire Academy, "besonders, weil wir ihn mit einheimischen Spielern erreicht haben - für all die Skeptiker, die denken, dass Katar mit fremden, eingebürgerten Fußballern spielen möchte."

In sieben Jahren sollen die Nachwuchstalente auf dem Höhepunkt ihrer Leistungsfähigkeit sein.

Bei der aktuellen A-Nationalmannschaft lassen die Erfolge dagegen noch auf sich warten. Beim Asien-Cup in Australien blieb die katarische Auswahl jüngst in einer Vorrundengruppe mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, dem Iran und Bahrain ohne einen einzigen Punktgewinn.

Für die WM 2022 muss das nichts bedeuten, schließlich gehen bis dahin noch sieben Jahre ins Land. Im Handball fand vor sieben Jahren ebenfalls eine Asienmeisterschaft statt. Katar schied in der Vorrunde aus.