Es war ein trauriger Abschied, den der THW Kiel am Sonntag hinter sich brachte, an der Stätte seiner größten Triumphe.
Handball-Bayern suchen neuen Weg
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Nicht so sehr, weil auch noch das kleine Finale verloren ging in Köln, sondern weil tags zuvor das große Finale verpasst worden war. Und weil die Gründe für die mäßigen Auftritte von Deutschlands Vorzeigemannschaft etwas im Dunkeln lagen.
"Irgendetwas hat nicht gestimmt", sagte Torhüter Andreas Palicka, einer der besten THW-Profis beim Final Four: "Wir haben das ganze Wochenende unseren Rhythmus nicht gefunden. Nach jeder guten Aktion gab es sofort wieder einen Fehler."
Starke Konkurrenz aus vier Ländern
Trainer Alfred Gislason nahm die Geschehnisse gefasst auf, erklärte, er sei dennoch stolz auf seine Mannschaft. Und THW-Manager Thorsten Storm sagte: "Man kann einfach nicht davon ausgehen, dass man hier jedes Jahr gewinnt, gerade dieses Jahr nicht. Dafür sind die anderen Teams zu stark, es gab hier keinen Außenseiter."
Vier Landesmeister hatten teilgenommen, neben Kiel und dem strahlenden Sieger FC Barcelona die Champions aus Ungarn (Veszprem) und Polen (Kielce).
Der Deutsche Meister, der FC Bayern des Handballs, muss sich also mit einem Titel begnügen in diesem Jahr, nachdem das Final Four im Pokal verpasst worden war. Die Schale nur noch Formsache - ganz wie beim Fußball-Rekordmeister?
Den Vergleich mit dem FC Bayern, über dessen Maßstäbe in Sachen Erfolg eine bundesweite Diskussion losgebrochen ist, wollte Storm so nicht gelten lassen. "Die Bayern sind mitten in der Saison Meister geworden, das ist bei uns nicht so", sagte er: "Wir müssen mehr kämpfen als die Bayern."
Meisterschaft zum Greifen nah
Zwei Punkte Vorsprung muss der THW Kiel in der DKB HBL bei noch zwei ausstehenden Spielen gegen die Rhein-Neckar Löwen verteidigen, und er hat das deutlich bessere Torverhältnis.
Kiel tritt noch in Hannover (Mi., 20 Uhr LIVE auf SPORT1 und im LIVETICKER) und gegen Lemgo an, die Löwen empfangen Friesenheim und reisen zum Abschluss nach Magdeburg. Dass der THW den Titel noch verspielt, ist zwar nicht unmöglich, aber äußerst unrealistisch.
Steffen Weinhold sagte: "Es war ein kraftraubendes Wochenende. Es ist aber gut, dass wir nicht ewig warten müssen, sondern direkt wieder ein Ziel haben: die deutsche Meisterschaft nach Kiel zu holen."
Und Rune Dahmke meinte nach seinem ersten, durchaus couragierten Auftritt in Köln zu SPORT1: "Die Meisterschaft ist alles, was wir noch haben. Den Titel werden wir holen, wenn wir alles geben. Da bin ich mir sicher."
Neuausrichtung im Sommer
Nach dem letzten Spieltag am 5. Juni wird dann ein Strich gezogen unter die Kieler Saison, bevor sich der THW verändern wird im Sommer.
Mit Aron Palmarsson (Veszprem), in Köln auffälligster Kieler Feldspieler und Rasmus Lauge (Flensburg) verlassen zwei spielstarke, bewegliche Rückraummänner den Klub. Mit Christian Dissinger kommt aus Lübbecke ein deutscher Perspektivspieler, zudem rückt Alexander Williams aus dem THW-Nachwuchs in den Profikader auf. Megatransfers wie die Verpflichtung eines Mikkel Hansen, der jüngst nach einigen Spekulationen in Paris verlängerte, scheinen derzeit kein Thema zu sein - trotz der kolportierten Gelder neuer Sponsoren.
"Man muss sich keine Sorgen um uns machen", sagte Storm: "Wir haben eine starke Mannschaft. Und wir haben uns entschieden, vermehrt jungen Spielern eine Chance zu geben." Kein risikoloses Unterfangen angesichts europäischer Klubs, die mit Großsponsoren Topstars locken. Und auch hierzulande schläft die Konkurrenz nicht, siehe Flensburg.
Fragezeichen hinter der Spielkultur
Spielerisch wird der THW mit diesem Rückraum mehr denn je über die Wucht kommen und seine Gegner weniger mit der feinen Klinge zerteilen. Domagoj Duvnjak, Joan Canellas, Filip Jicha - alles eher Brecher. Am Kreis und auf den Flügeln dürfte sich nicht viel ändern. Oldie Torsten Jansen kommt vom HSV, um angesichts der Verletzung Dominik Kleins den jungen Dahmke nicht die komplette Last auf Linksaußen schultern zu lassen.
Im Tor gibt es dagegen gleich einen Doppelwechsel: Mit Niklas Landin wechselt der derzeit wohl weltbeste Keeper von den Rhein-Neckar Löwen in die Nähe seiner dänischen Heimat, vom HC Erlangen stößt Nikolas Katsigiannis dazu.
Ein spannendes Konstrukt, das dazu führen soll, dass die erfolgsverwöhnten Kieler am Ende der nächsten Saison mit mehr als nur einem Titel dastehen. In dem Punkt gleichen sie dann doch den Münchner Fußballern, die Handball-Bayern aus dem hohen Norden.