Es schien, als könnten die Waliser selbst kaum fassen, was ihnen gerade gelungen war.
Sensation! Wales träumt von mehr
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Gareth Bale umarmte erschöpft, aber glücklich zwei Mitspieler, an der Seitenlinie türmten sich die Betreuer und Ersatzspieler zu einem Knäuel, und Kapitän Ashley Williams verbarg einfach nur sein Gesicht hinter dem Trikot.
Halbfinale! Nach einem völlig verdienten 3:1 (1:1) gegen die hochgewettete goldene belgische Fußball-Generation. (Ergebnisse und Spielplan der EM)
Halbfinale: Gareth Bale vs. Cristiano Ronaldo
Es dauerte eine Weile, bis die Waliser begriffen. Während Belgiens Trainer Marc Wilmots erst mit stierem Blick einfach nur dastand und dann im Kabinentunnel verschwand, gerieten die Drachen langsam in Ekstase: Erst mit einem gemeinschaftlichen Bauchplatscher vor dem Block mit ihren begeisterten Anhängern, dann mit einem Hüpfkreis in der Mitte des Feldes.
Halbfinale! Gegen Portugal. Superstar Gareth Bale gegen seinen Klubkollegen Cristiano Ronaldo.
"Es ist so schwer zu beschreiben", sagte der überragende Aaron Ramsey, "wir haben so hart dafür gearbeitet. Jetzt wollen wir noch weiter kommen."
Ramsey und Davies fehlen im Halbfinale
Das allerdings müssten die Waliser am kommenden Mittwoch in Lyon ohne den Mittelfeldstar vom FC Arsenal. Er fehlt ebenso wegen einer Gelbsperre wie Verteidiger Ben Davies. Aber, wie sagte Teammanager Chris Coleman: "Man darf vor Träumen keine Angst haben."
Am größten Tag ihrer Fußball-Geschichte hatten die Waliser keine Angst. Bei strömendem Regen vor 45.936 Zuschauern in Lille drehten die Waliser mit schierem Willen ein Spiel, in dem sie zunächst unter die Räder zu kommen drohten. Radja Nainggolan brachte Belgien in seiner ungezügelten Anfangsphase mit einem Schuss aus 28 Metern in Führung (13.).
Danach aber gab die Mannschaft von Marc Wilmots das Spiel aus den Händen. Wales kämpfte sich durch einen Treffer seines Kapitäns Ashley Williams (31.) zurück, Hal Robson-Kanu düpierte die belgische Abwehr beim 2:1 (55.). Als der Favorit alles riskierte, traf Sam Vokes (85.) zum Endstand. (Die Torjäger der EM)
Bale und Co. mächtig unter Beschuss
Für Bale, seine Mitspieler und ganz Wales war es das Spiel des Lebens. "Das ist das größte Match im walisischen Fußball", hatte der Superstar vorab gesagt, größer also noch als das WM-Viertelfinale 1958 gegen Brasilien (0:1) in Schweden.
Es drohte allerdings ein Debakel zu werden: Belgien spielte anfangs Katz und Maus mit den Briten, vergab aber unter anderem eine Dreifach-Chance durch Yannick Carrasco, Thomas Meunier und Eden Hazard - immer war ein Körperteil eines Walisers im Weg (7.).
So gut sie offensiv begannen, so wackelig standen die Belgier defensiv. Wilmots hatte seine Abwehr umbauen müssen, es fehlten Thomas Vermaelen (Gelbsperre) und Jan Vertonghen (EM-Aus wegen Knöchelverletzung).
Lukaku-Brüder erstmals gemeinsam
Wilmots ersetzte sie durch Jason Denayer und Jordan Lukaku (21), der damit erstmals bei dieser EM mit seinem zwei Jahre älteren Bruder Romelu auf dem Platz stand. Somit bot Belgien die jüngste Startelf bei einer EM seit 1968 auf - aber eben auch eine unerfahrene.
Hinzu kam, dass die Belgier sich offensichtlich von ihrer frühen Führung blenden ließen. Wilmots konnte an der Linie winken und schreien, wie er wollte, seine Mannschaft ließ sich immer weiter zurückdrängen. (Das Spiel im TICKER zum Nachlesen)
Neil Taylor (26.) hatte schon vor Williams' Ausgleich die Riesenchance zum 1:1, er brachte den Ball aber nach einem Zuspiel Ramseys nicht an Torhüter Thibaut Courtois vorbei. Bale hatte zuvor schon mal das Außennetz getroffen (10.). Ein Warnschuss, der zunächst unbemerkt blieb.
Robson-Kanu narrt Belgiens Abwehr
Wie wilde Stiere kamen die Belgier nach der Pause aus der Kabine, wieder spielten sie die Waliser zunächst geradezu an die Wand - und wieder nutzten sie ihre Chancen nicht. Romelu Lukaku (48.), der wechselhafte Kevin De Bruyne (49.) und Hazard (50.) vergaben die Gelegenheiten zur erneuten Führung.
Robson-Kanu war da effektiver: Nach Vorlage des überragenden Ramsey tanzte er Meunier und Jordan Lukaku aus und erzielte seinen zweiten Turniertreffer. Belgien reagierte wütend, aber planlos.