Vom DFB-Team berichten Thorsten Mesch, Andreas Reiners und Markus Höhner
Drei Rücktritte, drei Baustellen
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Düsseldorf - Als die Namen Philipp Lahm, Miroslav Klose und Per Mertesacker vom Stadionsprecher ausgerufen wurden, gingen Jubelschreie durch die Düsseldorfer Arena.
Der Abschied der drei Weltmeister war bewegend. Klose hatte feuchte Augen, als noch einmal Szenen der WM in Brasilien auf den Videoleinwänden liefen.
Doch die Festtagsstimmung wich schnell der Ernüchterung. Nach dem vierten Treffer der Argentinier war wohl jedem der mehr als 51.000 Zuschauern klar, welche Lücke der Rücktritt des Trios tatsächlich hinterlässt.
Die 2:4-Niederlage gegen den Finalgegner von Rio de Janeiro (Bericht) zeigte einerseits, wie viel einigen Spielern im Kader der deutschen Nationalmannschaft noch zur Weltklasse fehlt.
Zudem ließ die Leistung von Mario Gomez Zweifel aufkommen, ob der lange verletzte Stürmer überhaupt noch zum Team des Weltmeisters passt.
Löw setzt auf Gomez
Gomez vergab drei gute Torchancen und wirkte phasenweise wie ein Fremdkörper im deutschen Kombinationsspiel. Als Bundestrainer Joachim Löw ihn nach einer knappen Stunde vom Feld nahm, wurde der Italien-Legionär ausgepfiffen - nicht zum ersten Mal in seiner Nationalmannschaftskarriere. (BERICHT: Gomez - Der Ungeliebte)
Erinnerungen an Wien 2008 wurden wach, als Gomez im Gruppenspiel gegen Österreich den Ball aus einem Meter Entfernung über das Tor bugsiert hatte. Auch im August 2013 war er bei seinem letzten Länderspiel vor seiner Verletzungspause ausgepfiffen worden.
Doch Löw setzt auf den Modellathleten, der sich in den vergangenen Monaten wieder in Form gebracht hat.
"Er ist schnell, torgefährlich, im Strafraum einer der besten Stürmer, die es gibt", sagte der Bundestrainer." Er sehe keine großen Probleme, ergänzte Löw.
Wohlgemerkt am Tag vor dem Argentinien-Spiel.(SHOP: Jetzt Fanartikel des DFB-Teams kaufen)
Die Diskussion über eine Rückkehr von Stefan Kießling dürften wohl nicht noch einmal aufkommen. Alternativen im Sturm hat der Bundestrainer in David Selke, U-19-Europameister von Werder Bremen oder in Kevin Volland.
Setzt Löw weiter auf die falsche Neun?
Der Hoffenheimer, den Löw kurz vor der WM aus dem Kader strich, ist allerdings kein Zentrumsstürmer. Doch der Bundestrainer scheint diesen Typ Angreifer ohnehin nicht zu brauchen.
Die Variante mit offensiven Mittelfeldspielern in vorderster Linie hat sich bewährt. Ob sie nun falsche Neun oder anders genannt wird. Thomas Müller, Mario Götze, Marco Reus, Andre Schürrle oder auch Mesut Özil haben sich in dieser Rolle versucht.
Bei einigen hat es ganz gut funktioniert.
Gegen Argentinien fehlte die Konsequenz im Angriff, aber sie wurde noch negativ übertroffen von den Fehlern in der Abwehr. Ohne Lahm und die verletzten Innenverteidiger Mats Hummels und Jerome Boateng war die Viererkette den flinken und trickreichen Argentiniern hoffnungslos unterlegen. (STIMMEN: "Das war ein Wachmacher)
Benedikt Höwedes, der bei der WM als Linksverteidiger überrascht hatte, durfte sich auf seiner Lieblingsposition in der Mitte versuchen. Die Aufgabe war aber undankbar, denn an seiner Seite hatte der Schalker nur Spieler, die bei der WM nicht eine Minute gespielt hatten.
BVB-Trio mit Problemen
"Wir haben nicht so schlecht angefangen, aber leider haben wir uns mit den ersten beiden Aktionen die Gegentore gefangen", sagte Matthias Ginter.
Der Dortmunder und seine beiden Vereinskollegen Kevin Großkreutz und Erik Durm schafften es nicht, die argentinische Offensive um den herausragenden Angel di Maria in den Griff zu bekommen. Im Gegenteil. Sie wurden wieder und wieder ausgespielt.
"Di Maria ist im Eins gegen Eins sehr schwer zu verteidigen. Er war sehr spritzig und schnell, es war nicht leicht, gegen ihn zu spielen", gab Durm zu.
Der Linksverteidiger konnte die vom Bundestrainer in ihn gesteckten Erwartungen nicht erfüllen.
"Erik Durm soll und kann in den nächsten Monaten eine wichtigere Rolle einnehmen", hatte Löw am Dienstag erklärt. "Ich werde versuchen, die Tipps des Bundestrainers umzusetzen", versprach Durm nach der Niederlage fast kleinlaut. Vor dem heimischen Dortmunder Publikum wolle er "alles reinhauen."
Das könnte gegen Schottland (ab 20.15 Uhr im LIVE-TICKER und auf SPORT1.fm) zum Auftakt der EM-Qualifikation noch reichen, gegen stärkere Gegner muss sich Durm aber ebenso steigern wie Großkreutz, der sich auf Lahms Position auf der rechten Seite auch nicht für höhere Aufgaben empfahl.
Marcel Schmelzer und Marcell Jansen sind Durms Konkurrenten auf der linken Seite, Weltmeister Shkodran Mustafi oder Wolfsburgs Sebastian Jung sind Kandidaten für rechts. Höwedes und auch Boateng können auf beiden Seiten verteidigen.
Noch kein Ersatz für Mertesacker
Doch beide hatten wie Hummels zuletzt häufiger mit Verletzungen zu kämpfen. Gleichwertigen Ersatz für Mertesacker gibt es noch nicht. Ginter muss sich erst einmal mit Dortmund international beweisen.
Antonio Rüdiger hat gute Ansätze, aber dem Stuttgarter fehlt neben der internationalen Erfahrung die Konstanz.
Es gibt viele talentierte Spieler in der Bundesliga, die namentlich aufzuzählen den Rahmen sprengen würde.
Doch ein neuer Klose, Lahm oder Mertesacker ist (noch) nicht in Sicht.