Bayerns Kader ist so tief, dass Pep Guardiola sich zumindest in der Bundesliga jedes Experiment leisten kann. Sicher, der FC Bayern ist nicht unschlagbar, Erfolg im Fußball ist Gott sei Dank nicht immer planbar. Aber den Titel in der Liga verspielen können sie nur selbst. Und dann würde das mit ziemlicher Sicherheit nichts mit einer komplett vermurksten Taktik zu tun, sondern tiefere, existentiellere Gründe haben. Das Herz! Die Leidenschaft! Die allgemeine Unruhe und Aufregung! Was nicht heißt, dass Guardiolas Ideen nicht schon mal schief gegangen sind: Die Halbfinalpleiten 2014 und 2015 in der Champions League lagen auch am Trainer, das hat er selbst zugegeben. Aber das ist eine andere Geschichte.
Guardiolas fröhliches Bayern-Roulette
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Für die Bundesliga gilt: Egal, wen Guardiola aufs Feld schickt, egal, wie er seine Mannschaft spielen lässt: Bayern wird vor jedem Bundesligaspieltag Favorit sein. Selbst, wenn er wirklich alle Superstars schonen würde. Also kann der Coach vor jedem Spiel Roulette spielen mit seinen Spielern.
Eine komplette Taktik-Analyse für den FC Bayern vorzunehmen, ist fast ein Ding der Unmöglichkeit. Wegen Guardiolas Anything-Goes-Spleen, wegen des breiten Kaders und weil die Saison noch nicht gestartet ist. Darum beispielhaft nur vier mögliche Formationen - die in der Bundesliga keinem Vergleich scheuen müssen:
Voraussichtliche Aufstellung gegen den HSV (Grundsystem: 3-1-3-3)
Guardiolas Plan A: Neuer - Lahm, Boateng, Alaba - Alonso - Robben, Vidal, Thiago - Müller, Lewandowski, Costa
In der Vorwärtsbewegung verwandelt sich das System zu einem 1-6-3, Boateng und Alonso sichern als Liberos ab, die äußeren Verteidiger marschieren nach vorne. Vidal und Thiago sollen Konter unterbinden. Die Flügelzange agiert ohne den rekonvaleszenten Ribéry so offensiv wie möglich. Robben spielt etwas zurückgezogener als sonst, soll viel mit Müller rochieren. Von der Bank können Götze, Martinez und Bernat kommen. Oder der junge Kimmich, von dem Guardiola so viel hält. Oder zur weiteren Absicherung Rode.
Defensiveres System mit allen Superstars für die Champions-League-K.o.-Spiele (Grundordnung 4-1-4-1)
Guardiolas Plan B: Neuer - Lahm, Martinez, Boateng, Alaba - Alonso - Robben, Müller, Vidal, Ribery - Lewandowski
Sollte Bayern mit einer Viererkette spielen, könnte Martinez in die Abwehr rücken oder alternativ Benatia. Robben und Ribéry würden die klassische Flügelzange bilden, Vidal wäre in diesem System der absolute Schlüsselspieler, müsste sowohl die Defensive absichern, als auch die Offensive unterstützen. Oder er übernimmt Alonsos Position, dann würde Thiago die laufintensive Box-to-Box-Rolle übernehmen. Müller hätte in diesem System alle Freiheiten.
Das Talente-und zweite Reihe-System (3-1-3-3)
Guardiolas Plan C: Ulreich - Rafinha, Dante, Bernat - Gaudino - Rode, Hojbjerg, Kimmich - Kurt, Green, Costa
Zugegeben: Sollte Guardiola diese Aufstellung aufs Feld schicken, hätte Bayern den Titel schon im März gewonnen. Vor allem der Sturm wirkt mit Sinan Kurt und Julian Green wie eine Verlegenheitslösung. Aber Costa würde es wahrscheinlich trotzdem wieder rausreißen - zumal ja Müller, Lewandowski und Götze auf der Bank säßen. Grundsätzlich könnte aber auch diese Mannschaft absolut mithalten in der Liga. Ulreich, Rafinha, Dante, Bernat, Rode Höjbjerg sind nicht auf der Brennsupp'n dahergeschwommen und Kimmich gilt nicht umsonst als Supertalent.
Das Überraschungssystem ohne Flügelzange, mit Götze (3-4-1-2)
Guardiolas Plan D: Neuer - Rafinha, Boateng, Alaba - Lahm, Vidal, Thiago, Kimmich - Götze - Müller, Lewandowski
Sollte Guardiola die Gegner überraschen wollen und das Spiel ein wenig zentrumslastiger machen wollen, könnte er im 3-4-1-2 spielen. Oder auch im 3-4-2-1. In beiden Varianten würde Götze als Spielgestalter im offensiven Mittelfeld agieren, Vidal würde ihm den Rücken freihalten und eine ähnliche Rolle wie Andrea Pirlo in den letzten Jahren bei Juve übernehmen. Thiago und Kimmich würden für die kreativen Momente sorgen.