Vom FC Schalke 04 berichtet Andreas Reiners
Alles beim Alten auf Schalke
Roberto Di Matteo wirkte ratlos.
Der Trainer des FC Schalke 04 ruderte dann auch erst einmal fleißig zurück. Und relativierte zur Sicherheit die kompletten Erwartungen.
"Die Konstellation war von Anfang an schwierig. Wir müssen hinterherlaufen, und ich glaube, das wird auch über die ganze Saison so sein", sagte der Schalker Trainer nach dem ernüchternden 0:2 in Freiburg.
Das saß.
Die ganze Saison hinterherlaufen? Bei seinem Amtsantritt sah das noch anders aus. Da hatte er die Champions League als Ziel ausgegeben. Doch da war sowieso noch vieles anders.
Di Matteo hatte eine kleine Aufbruchstimmung entfacht. Mit seinem bestimmten Auftreten, seiner natürlichen Autorität, den neu aufgestellten Regeln und den knappen, aber klaren Analysen.
Die Spieler waren begeistert. "Unserer Mannschaft tut es gut, sich an gewissen Regeln halten zu müssen", sagte Weltmeister Benedikt Höwedes.
Im Grunde ließ das damals schon tief blicken, was den Charakter der Mannschaft angeht.
Vorne viel Potenzial
Doch der Italo-Schweizer hatte Schalke schnell analysiert, es schien, als habe er schon vor seinem ersten Pflichtspiel die richtigen Antworten auf die brennendsten Fragen gefunden: Die Mannschaft habe nach vorne viel Potenzial und in der Abwehr einige Probleme. Die defensive Ordnung solle Schalke wieder in die Spur bringen.
So einfach schien das.
Nun, nach sechs Spielen unter Di Matteo bleibt festzuhalten: Die Defensivprobleme sind ebenso geblieben wie das Offensiv-Potenzial, das die Mannschaft jedoch bislang nicht abrufen konnte.
Sechs Spiele, drei Siege und drei Niederlagen - es gibt sicher schlechtere Bilanzen nach einem Amtsantritt.
Doch auf den zweiten Blick bleiben vor allem die blutleeren Auswärtsauftritte haften, die allesamt verloren gingen. Ohne Inspiration und Mut, dafür mit teils haarsträubenden Fehlern.
Glücklich und glanzlos
Dazu kommen drei Heimsiege, die zumeist glücklich, auf jeden Fall aber glanzlos waren. Unter dem Strich hat sich unter dem neuen Coach nicht viel verändert. Im Gegenteil: Besagte Fragen blieben bislang unbeantwortet, neue kamen hinzu.
Natürlich, die Dauerverletzten sind auf der einen Seite nicht von der Hand zu weisen. Auf der anderen ist es aber auch ein Beweis dafür, dass dem Kader die notwenige Breite fehlt.
Und um Dinge grundlegend zu verändern, braucht es vor allem Zeit. Doch das ist ein Gut, das es auf Schalke so nicht gibt.
Erst recht in den englischen Wochen. Doch eine Saison ohne Champions League? Undenkbar, alleine schon aus finanziellen Gründen.
"Es sieht von außen so aus, dass es mangelnder Wille ist. Aber wir hatten keine Struktur mehr", sagte Manager Horst Heldt nach dem Freiburg-Spiel.
Letztendlich ein ungewollter verbaler Tiefschlag gegen den Trainer, der ja genau dort ansetzen wollte.
"Das ist eine Mannschaft, mit der man arbeiten muss", sagt Di Matteo immer wieder. Doch das gestaltet sich offenbar schwieriger als gedacht.
Den Charakter verändern
Denn seine Hauptaufgabe ist eine ganz andere: Den Charakter der Mannschaft müsse er ändern, hatte Di Matteo vor wenigen Wochen erklärt.
Dieses Mysterium von Mannschaft entschlüsseln. Und so die eigentlich dringendeste Frage beantworten: Warum bekommt auch Di Matteo keine Konstanz in den Klub? Was ist das Rezept, um die Kontinuität zu finden?
Denn das scheint auf Schalke ein Ding der Unmöglichkeit zu sein.
Alibi frei Haus
Unter Jens Keller wurde den Spielern durch das schlechte Standing des Coaches Woche für Woche ein Alibi frei Haus geliefert.
Ein Alibi, hinter dem sich die Mannschaft sogar noch vier Wochen nach dessen Entlassung versteckt. Anders ist das verbale Nachtreten im Zusammenhang mit dem schlechten Fitnesszustand der Mannschaft nicht zu erklären.
Doch diejenigen, die jetzt den Mund aufmachen und gegen das offenbar zu lasche Training Kellers wettern, hätten ja auch während dessen Amtszeit auf den Tisch hauen können.
Diskussionen in der Kabine?
"Nach der Pause hat uns der Charakter gefehlt", hatte Höwedes nach Freiburg erklärt. Der Kapitän traf damit einen wunden Punkt. Und entfachte offenbart auch innerhalb der Kabine eine Grundsatzdiskussion.
"Wir haben auch in der vergangenen Saison in schwierigen Situationen Charakter bewiesen", stellte Dennis Aogo nun klar. Der Mittelfeldmann forderte von seinen Mitspielern zudem mehr Selbstkritik.
Die gibt es durchaus, wenn auch vereinzelt. "Wir müssen mehr Ehrgeiz zeigen. Die älteren Spieler wie ich, Benedikt Höwedes und Kevin-Prince Boateng müssen mehr machen", forderte Klaas-Jan Huntelaar.
Auch Heldt in der Kritik
Fakt ist: Bislang war es nicht genug. So wenig sogar, dass Heldt sich beeilen musste, eine erneute Trainerdiskussion im Keim zu ersticken.
"Ein Trainerwechsel ist keine nur auf 14 Tage oder drei Wochen ausgelegte Entscheidung, sondern auf die nächsten Jahre ausgerichtet?, sagte Heldt, der zunehmend in die Kritik gerät.
Denn für die aktuelle Mannschaft mit ihren sowohl charakterlichen als auch sportlichen Defiziten zeichnet auch er verantwortlich.
Und womöglich ist eine Auffrischung des Personals ein Lösungsansatz, um der Mannschaft sowohl eine neue spielerische als auch persönliche Struktur zu verschaffen und neue Anreize zu setzen.
Denn manchmal scheint es, als werde das vorhandene Personal überschätzt. Richtiger scheint jedoch, dass die Mischung derzeit nicht stimmt. Aogo schlägt bereits Alarm: "Die Stimmung ist schlecht", berichtete er.
Und das knapp vier Wochen nach dem Trainerwechsel. Auch das lässt tief blicken.