Von Andreas Reiners
HSV auch mit Zinnbauer im Sinkflug
Als die obligatorische Frage nach dem berühmten Kopfproblem kam, stockte Josef Zinnbauer kurz. Überlegte. Wägte ab. Und widersprach schließlich.
"Ein Kopfproblem? Das weiß ich nicht. Man spielt Fußball, da kann man nicht immer sagen, dass es ein Kopfproblem ist. Man darf keine Wunderdinge erwarten", sagte der Trainer des Hamburger SV.
Besagte Wunderdinge scheinen in Hamburg derzeit die Dinge zu sein, die im Fußball den Unterschied ausmachen und überlebenswichtig sind: Tore. Der HSV hat nach fünf Spieltagen noch keinen einzigen Treffer erzielt. Negativrekord in der Klub-Geschichte. (DATENCENTER: Ergebnisse und Tabelle)
Sollten die Hamburger am Sonntag gegen Eintracht Frankfurt 26 weitere Minuten lang ohne eigenes Tor bleiben, hätten sie sich auch den Bundesliga-Negativrekord des VfL Bochum. Der war in der Saison 1979/80 von Saisonbeginn an noch länger ohne eigenen Treffer geblieben.
Teamgeist ist da - Torgefahr nicht
Das 0:1 bei Borussia Mönchengladbach (Bericht) schürt die Sorge, dass der HSV auch diese Marke knacken wird.
Kampfbereitschaft und Einsatzwillen? Ja, diese Eigenschaften hat Zinnbauer offenbar wieder geweckt. 20 Minuten lang spielte der HSV munter mit. Doch mit dem Gegentor schwand dann auch wieder das Selbstvertrauen.
Immerhin: Die Mannschaft präsentiert sich als solche. Investiert viel. Fällt nach einem Rückschlag nicht mehr sofort in sich zusammen. Doch das sind Grundtugenden, die als solche eigentlich automatisch vorhanden sein sollten.
Ansonsten ist der HSV anno 2014 vor allem eines: harmlos. Ungefährlich. Ohne Durchschlagskraft. Brav und bieder. Der Bundesliga-Dino verkommt endgültig zur grauen Maus.
Alt bekannte Durchhalteparolen
Was die Protagonisten nach der dritten Saisonniederlage und dem Sturz auf den letzten Platz sagten, hörte sich wieder sehr nach reflexartigen Durchhalteparolen an. Wie man sie beim HSV schon aus dem letzten Jahr kannte. Und wie man sie eigentlich nicht mehr hören wollte.
Dafür wurde vor der Saison trotz der Finanzprobleme in den Kader investiert. Und dafür wurde auch Trainer Mirko Slomka entlassen.
Zinnbauer erkämpfte sich mit dem HSV prompt ein 0:0 gegen den FC Bayern. Trat als Motivator auf. Lebte Einsatz und Identifikation vor. Zarte Euphorie hielt Einzug.
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Ernüchterung statt Euphorie
Doch statt Euphorie nun wieder Ernüchterung. Und mit der Ernüchterung kamen auch wieder die Phrasen.
"Irgendwann rutscht auch mal einer rein, und wenn die Mannschaft so weiterarbeitet, kriegen wir es auch hin", ist Zinnbauer überzeugt und forderte: "Wir müssen weiter arbeiten, wir müssen analysieren und wir müssen schauen, dass wir den Ball in die Spitze spielen, ruhiger spielen."
"Wir müssen weiter dran glauben und weiter dranbleiben, weiter so viel Einsatz und Laufbereitschaft zeigen wie heute, dann werden wir auch wieder irgendwann belohnt", sagte Heiko Westermann, der die Krux mit dem Kopfproblem verständlich findet.
"So ist es im Fußball eben. Ansonsten kann man der Mannschaft aber keinen Vorwurf machen. Wir haben die Qualität, wir müssen vor dem Tor nur die Ruhe bewahren, dann funktioniert das auch."
Holtby lobt Kampfgeist
Lewis Holtby hat unter dem neuen Trainer sogar eine Handschrift erkannt. "Jeder steht in diesem Team zusammen. Wir haben mehr Ballbesitz, wir kämpfen und fighten. Mit dem Schwung müssen wir jetzt aber endlich mal wieder ein Tor schießen", sagte der Mittelfeldmann.
In der Hoffnung, dass dann der Knoten platzt. Um endlich den nächsten Schritt machen zu können.
Denn nur mit Kampfbereitschaft, Einsatzwillen und guten Ansätzen wird es für den HSV nicht reichen. Und das im letzten Jahr so oft strapazierte Glück hat sich inzwischen auch verabschiedet.
Seit nunmehr fast zwölf Monaten sind die Hamburger ohne Auswärtssieg.
"Wir müssen jetzt positiv bleiben. Ein Trainerwechsel braucht immer etwas Zeit. Aber die Philosophie tut uns gut. Es geht wieder nach oben, das ist sicher", sagte Johan Djourou.
Dort, wo der HSV sich vom Selbstverständnis her eigentlich sieht. Und wo der Gegner sich nach dem neunten Pflichtspiel der Saison ohne Niederlage festgesetzt hat.
Ausgerechnet Kruse und Hahn
Vor allem dank Torschütze Max Kruse und Vorbereiter Andre Hahn.
"Natürlich waren Andre und ich direkt am Siegtor beteiligt, aber wir haben auch in der Defensive wieder einmal fast keine Chance des Gegners zugelassen. Jeder ist für den anderen da und das zeichnet uns momentan einfach aus", sagte Kruse.
Die Borussia belegt nach fünf Spieltagen mit neun Punkten Platz sechs, zwei Zähler hinter Spitzenreiter Bayern München.
Hahn freute sich nach dem Schlusspfiff dann vor allem auch auf sein Handy. Denn seine Freunde sind fast alle Bremen- oder eben HSV-Fans. "Und die kann ich dann ärgern", so Hahn.
Der 24-Jährige kickte mit 19 für die zweite Mannschaft des HSV, wurde aber für zu schlecht befunden und weggeschickt.
Auf den ersten Blick nur eine Randnotiz. Für den HSV an diesem Abend aber auch eine bittere Ironie der Geschichte.