Paderborn. Spitzenreiter. Und jetzt beim FC Bayern. Es ist das Duell der Gegensätze schlechthin, man könnte auch sagen, die Geschichte von David und Goliath übertragen ins 21. Jahrhundert.
Mehr David gegen Goliath geht nicht
Der ganze Kader des Sportclub Paderborn hat einen Marktwert von 22 Millionen Euro, für (mindestens) so viel Geld könnte aktuell der FC Bayern Xherdan Shaqiri transferieren. Hat der Rekordmeister aber natürlich gar nicht nötig.
Genauso wenig wie die Profis den Ball suchen müssen, wenn sie im Training daneben zielen. Die Paderborner dagegen schon.
"Der Trainingsplatz ist genau hinter dem Schwimmbad und zuletzt hat einer die Rutsche kaputt geschossen", berichtete Coach Andre Breitenreiter jüngst im Volkswagen Doppelpass.
Umziehen in der Hausmeisterwohnung
Das Publikum johlte, so etwas Kurioses hatte man in Bundesligakreisen lange nicht mehr gehört.
Und sich in der Hausmeisterwohung umziehen? Ja mei, das gab es beim FC Bayern - wenn überhaupt - zuletzt, als Franz Beckenbauer noch ein schmächtiger Jungspund war.
"Als wir 1965 aufgestiegen sind, waren wir genau wie Paderborn nach vier Spieltagen Tabellenführer und wurden am Ende Dritter", erinnert sich der "Kaiser" in der "Bild".
Und er fragt: "Warum soll den Westfalen das nicht auch gelingen?"
Guardiola rüttelt Stars wach
Auch ein Sieg in München scheint im Moment nicht undenkbar: Bayern quälte sich in Hamburg zu einem 0:0, Paderborn gewann dort 3:0.
Die Paderborner spielen frech auf, in München grübeln sie über Formdellen oder die Patellasehnen der verletzten Bastian Schweinsteiger und Franck Ribery.
"Alles kann passieren", warnte Pep Guardiola vor Paderborn. "Sie sind da, sind sehr aggressiv. Man hat gemerkt, warum sie Tabellenführer sind."
Die Worte ihres Trainers sollten den Bayern-Stars wie Thomas Müller, Philipp Lahm und Jerome Boateng in den Ohren klingen. Sie sind Weltmeister, dürfen sich seit 2013 Triple-Sieger nennen. Mehr geht nicht.
Ein Team aus Außenseitern
Und doch droht den Stars die größtmögliche Blamage. Selbst ein Remis würde als Schmach empfunden.
Gegen die Außenseiter aus Ostwestfalen. Gegen ein Team gespickt mit Außenseiter.
Die besten Aufsteiger nach vier Spieltagen
Kapitän Uwe Hünemeier kam im vergangenen Jahr aus Cottbus, weil er in Paderborn eine "neue sportliche Herausforderung" suchte.
Mittelfeldmann Süleyman Koc saß im Gefängnis, ehe er in Ostwestfalen eine zweite Chance bekam.
Der Kunstschütze ist bereit
Außerdem gibt es noch einen gewissen Moritz Stoppelkamp. Der bekam bei Hannover 96 kein Bein auf den Boden, im Match gegen den Ex-Klub schoss er ein Jahrhunderttor. Aus 83 Metern.
Der Paderborner Kunstschütze zählt jetzt die Stunden bis zum Auftritt in der Allianz Arena, während die Bayern - nun ja - hoffen, trotz zig Verletzter sich irgendwie heil und weit oben in der Tabelle bis zur Winterpause durchzumogeln.
Im Stil von Dortmund
Indes werden an diesem Abend viele Münchner Promis direkt vom Oktoberfest in den Fußballtempel der Roten fahren, bei Häppchen und Sekt in ihren Logen beobachten, wie sich ihre Startruppe gegen den aufmüpfigen Underdog aus Ostwestfalen behauptet.
Gegen den Arbeiterfußball aus der Provinz, angeführt vom ebenso innovativen wie findigen Trainer Breitenreiter.
Der hat seinem Team ein stringentes Gegenpressing verpasst - im Stil von Borussia Dortmund. Den Erzrivalen fürchten sie in München, die Paderborner empfangen sie mit Neugier und Staunen.
Denkt Guardiola an Numancia?
Das Märchen aus Ostwestfalen beschäftigt ja mittlerweile sogar schon Fußballsendungen in Guardiolas Heimat Katalonien.
Zumal eine Erinnerung präsent ist: Als Guardiola beim FC Barcelona den Trainerposten übernahm, verlor er just sein erstes Ligaspiel gegen den Aufsteiger Numancia mit 0:1.
Droht nun ein Deja vu als Bayern-Trainer? Zumindest die Gegensätze sind ähnlich groß.
Weltkonzerne und ein Selfmade-Millionär
Der SC Paderborn hat 10.000 Mitglieder, so viele Fans kommen in den Sommerferien an drei Tagen zum Bayern-Training an die Säbener Straße. Bayern wird gesponsert von Weltkonzernen wie adidas, Audi und der Telekom, beim Sportclub hat Selfmade-Millionär Wilfried Finke das Sagen.
Direkt neben dem Stadion in Paderborn liegt - nur durch einen Parkplatz getrennt - das Möbelhaus Finkes.
"Ich habe mir stets hohe, auf den ersten Blick unerreichbare Ziele gesteckt. Nur dann kann man etwas Außergewöhnliches erreichen", sagt Finke. Für ihn ist der Tag in München ein Feiertag, egal, wie das Match endet.
Und für die Spieler steht schon jetzt eine Belohnung für den außergewöhnlichen Saisonstart auf dem Plan: Am Mittwoch geht es mit der ganzen Mannschaft auf die Wiesn.