Vor seiner Einführung schieden sich an ihm die Geister. Es fiel durch den TÜV, es wurden und werden Scherze mit ihm getrieben. Wie kürzlich in England, wo ein Spieler den am Boden liegenden Schiedsrichter einrahmte.
Freistoßzauber aus der Dose
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Doch mittlerweile ist es allseits anerkannt und hat sogar einen positiven Nebeneffekt: Seit der Etablierung des Freistoßsprays fallen in der Bundesliga mehr Tore durch direkt verwandelte Standards.
Denn auch die eigentlich erhoffte Wirkung tritt ein: "Das Spray hat auf jeden Fall geholfen, die Abwehrspieler kommen nicht mehr nach vorne gelaufen, halten ihren Abstand ein. Das hat vielleicht auch einen psychologischen Effekt für den Schützen", bestätigt Bayern-Spieler Sebastian Rode bei SPORT1.
Gerland: "Vorteil für den Schützen"
Die gestiegene Häufigkeit von Freistoßtoren in der deutschen Eliteklasse kann auch statistisch belegt werden. Der Datendienstleister deltatre hat die Zahlen für Bundesliga Aktuell verglichen. Vor der Einführung des Freistoßsprays am 8. Spieltag der laufenden Saison fielen aus 29 direkt ausgeführten Freistößen sechs Treffer, also etwa 0,85 Tore pro Spieltag.
Seitdem erhöhte sich die Quote auf 1,32. Zwischen der 8. und 26. Runde gelangen den Schützen 25 Treffer.
Zudem kommt der von Rode angesprochene psychologische Effekt zum Tragen - die Spieler glauben an eine höhere Erfolgsquote. Deshalb werden auch deutlich mehr Freistöße direkt auf das Tor gezielt.
Auch Hermann Gerland beurteilt das bereits bei der WM in Brasilien erfolgreich angewendete Hilfsmittel durchweg positiv. "Ich denke, es ist ein Vorteil für den Schützen. Es kann auch Zufall sein, dass jetzt mehr Tore fallen. Ich denke aber schon, dass man den Ball leichter über die Mauer spielen kann, wenn sie 9,15 Meter weg ist, als wenn die Abwehrspieler näher ran kommen", erklärte der Co-Trainer des FC Bayern gegenüber SPORT1.
Traumtore von Alaba, Calhanoglu und Junuzovic
Seit der Winterpause hat speziell David Alaba bewiesen, dass das Erzielen von Freistoßtoren erleichtert worden ist. 2015 traf der Österreicher für den FC Bayern schon drei Mal nach einem ruhenden Ball: Am 20. Spieltag in Stuttgart, fünf Runden darauf bei Werder Bremen und im Achtelfinale des DFB-Pokals gegen Braunschweig.
"Im Training trifft er zwar öfter mal den Fangzaun. Aber David hat einfach eine weltklasse Schusstechnik", lobt Rode seinen Teamkollegen. Auch Leverkusens Hakan Calhanoglu und Zlatko Junuzovic von Werder Bremen traten in dieser Saison bereits mehrfach als Freistoßkünstler in Erscheinung.
Neuer sieht veränderte Schusstechnik
Die Theorie, dass die Einführung des Freistoßsprays zu mehr Toren geführt hat, findet aber nicht nur Fürsprecher. Torsten Lieberknecht glaubt bei SPORT1 vielmehr: "Das ist ein interessanter Ansatz. Ich weiß aber nicht, ob das damit zusammenhängt. Die Schützen haben natürlich eine sehr hohe individuelle Qualität. Ich glaube, das liegt eher ein Stück weit mehr an den Schützen."
Manuel Neuer pflichtet Braunschweigs Trainer aus Torhütersicht bei: "Ich habe keinen Vergleich dazu, wie groß der Abstand vorher war. Ich kann nur sagen, dass sich die Schützen etwas einfallen lassen, sich die Schusstechnik verändert."
Die statistischen Belege sind jedoch nicht von der Hand zu weisen. Die gestiegene Anzahl an Freistoßtoren erhöht die Attraktivität im deutschen Profi-Fußball. Nach den anfänglichen Problemen steht eine positive Zwischenbilanz.
Das war noch vor ein paar Monaten nicht abzusehen. Das anfangs aus Argentinien importierte Spray fiel durch eine Untersuchung des TÜVs. Danach bezog man ein deutsches Produkt, das jedoch in seiner Wirksamkeit von der Außentemperatur abhängig ist. Die Sichtbarkeit der Chemikalie leidet bei extremer Kälte deutlich.
Freistoßspray als "Scherzartikel"
Letztlich trägt das anfangs so kritisch beäugte Spray in manchen Situationen auch zur Unterhaltung bei. Wie bei David Luiz, dem die vom Schiedsrichter vorgegebene Position eines Freistoßes nicht passte.
Deshalb verlegte der Brasilianer den Ort des Geschehens in der Champions-League-Partie von gegen Chelsea eigenhändig um ein paar Zentimeter nach links, indem er den Schaum ergriff und wieder auf den Rasen schmierte.
Oder in der brasilianischen Serie A, wo ein Schiedsrichter-Assistent einen großen Kreis um den Ball zog. Der Spaßfaktor hat durch den Strich aus der Dose sicher nicht gelitten.